Jeannine
22.09.2005, 08:02
Hallo Zusammen,
hier im Forum wird ja sehr viel über problematische Grundschullehrer und Co diskutiert! Es ist natürlich schwer, die genauen Gründe zu finden, oft sind die Pädagogen äußerst überfordert und es kommt bei bestimmten "Themen" zu einer Ignoranz gegenüber Eltern oder z.B. einer LH-Beraterin...
Über Finnland habe ich einen interessanten Artikel über das dortige Schulsystem gelesen. Die Pädagogen haben eine leichtere Arbeitsweise:
Was macht Finnland anders?
"Unser Ziel ist, dass 100% der Schülerinnen und Schüler die gymnasiale Oberstufe besuchen und danach das Abitur machen!" Diese Aussage von Jukka Sarjala, dem ehemaligen Präsidenten des finnischen Zentralamtes für Unterrichtswesen, verbunden mit einem verschmitzten Lächeln, war nicht die einzige Überraschung für 33 Lehrerinnen und Lehrer aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, die an einer PISA-Studienreise nach Finnland teilnahmen. Organisiert von Richard Hänle, dem Vorsitzenden der Deutsch-Finnischen Gesellschaft e.V. Hohenlohe-Franken wurden auf der achttägigen Bildungsreise in den Faschingsferien eine Gesamtschule bei Helsinki mit gymnasialer Oberstufe, sowie eine Gesamtschule in Lappeenranta, der Haller Partnerstadt besucht. Zum Schluss wurde ein Kindergarten mit Vorschule unter die Lupe genommen - eine der wichtigsten Säulen finnischer Bildungspolitik.
Denn: "Auf den Anfang kommt es an!" Von dieser bildungspolitischen Grundthese konnten wir uns in einem städtischen Kindergarten von Lappeenranta, einer 60 000 Einwohnerstadt nahe der russischen Grenze, überzeugen. Dass Kinder bereits ab dem ersten Lebensjahr den Kindergarten besuchen, ist zwar kein Muss, aber in vielen Familien selbstverständlich. In Ausnahmefällen werden sogar noch jüngere Kinder aufgenommen. Die Betreuungszeiten sind so gut es irgendwie geht auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmt. Öffnungszeiten von 6.30 Uhr bis 17.00 sind die Regel. In größeren Städten gibt es auch die Möglichkeit, sein Kind über Nacht oder am Wochenende betreuen zu lassen. Ein Angebot, dass von Berufsgruppen wie SchichtarbeiterInnen, Polizeimitarbeitern oder Krankenhauspersonal gerne in Anspruch genommen wird. Aber natürlich ist es auch möglich, sein Kind auch nur von 8 bis 12 Uhr im Kindergarten zu lassen. "Wenn Eltern ihr Kind bei uns anmelden, haben wir in 2 Wochen einen Platz für das Kind in unserer Stadt, egal zu welchen Zeiten und wie lange.", sagte uns die Leiterin des Kindergartens im Stadtteil Skinnarila.
Die Kinder werden im Tagesablauf abwechselnd altersgemischt und altershomogen betreut. Die Kleinen lernen von den Großen bei Tanz, Spiel und Projekten.
Bei den ein- bis dreijährigen kommt eine Betreuerin auf vier Kinder, bei den älteren ist rein rechnerisch eine Betreuerin für sieben Kinder zuständig. Die Gruppengrößen sind mit 13 bis 15 Kindern eher klein. Die Gruppengröße in deutschen Kindergärten ist oft doppelt so groß.
Feste Essenszeiten - Frühstück, Mittagessen und Nachmittagssnack - gliedern den Tagesablauf. Essen und Trinken stellt der Kindergarten. Kein finnisches Kind geht mit einem Vespertäschchen oder Essensgeld in den Kindergarten. Die Gebühren für einen Kindergartenplatz liegen zwischen 0 und 200 Euro, je nach Verdienst der Eltern und Betreuungszeit des Kindes.
Das Spiel im Freien hat einen großen Anteil im Tagesablauf. Schneeanzug und dicke Winterstiefel gehören zur festen Ausstattung für die langen, kalten finnischen Winter. Für die Kleinen gibt es Betten für Mittagsschlaf und Nickerchen.
Das Personal setzt sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen. Die Erzieherinnen, die eine Gruppe leiten haben Abitur und ein Hochschulstudium absolviert. Daneben gibt es weiteres pädagogisches Personal von Helferinnen und Assistentinnen, was vermutlich den deutschen Kinderpflegerinnen entspricht. In dem von uns besuchten Kindergarten waren 20 Betreuungspersonen für 72 Kinder da, Küchen- und Reinigungspersonal nicht mit eingerechnet.
Fremdsprache schon im Kindergarten
Jeder Kindergarten muss eine eigene Konzeption entwickeln. Eigens entwickelte Profile wie Fremdsprachenlernen oder naturwissenschaftliches Experimentieren sind erwünscht. Im Kindergarten von Skinnarila können die Kinder Russisch lernen. Einige Stunden in der Woche werden sie von einer "Native-speakerin" spielerisch mit der russischen Sprache vertraut gemacht. Andere Kindergärten beginnen mit Englisch, Schwedisch oder Deutsch.
Mit Beginn des sechsten Lebensjahres absolvieren die Kinder im Kindergarten ein Vorschuljahr. Hier wird bereits in Anfängen Lesen und Schreiben gelernt. Im mathematischen Bereich wird im Zahlenraum bis 20 addiert und subtrahiert. Vieles entspricht den Lerninhalten der deutschen ersten Klasse. Aber man denke an die Gruppengröße von höchstens 15 Kindern, und auch die wird oft noch geteilt.
Auch in Finnland gab es die Diskussion um einen zu späten Schulbeginn mit 7 Jahren. Doch mitten in die Diskussion platzten die guten Ergebnisse der PISA-Studie und so ließ man es gerne beim Alten.
Vorschulunterricht
Vorschulunterricht wird für 6jährige angeboten, die im darauffolgenden Jahr ins schulpflichtige Alter kommen. Die Teilnahme am Vorschulunterricht ist freiwillig, der Vorschulunterricht wird in Kindergärten und Vorschulklassen der Gesamtschulen angeboten. Im Herbst 2000 gab es in den Gesamtschulen etwa 11 000 Vorschüler und in den Kindergärten 48 000 Sechsjährige. Das sind über 90 % dieser Altersklasse landesweit. [ISCED 0]
Ziel der Vorschulerziehung ist das Schaffen eines Spiel- und Lernumfeldes, das dem Kind anregende Aktivitäten anbietet und die Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen Kindern vielseitig zu entwickeln. Es wird angestrebt, auch Kinder und Eltern in die Planung des Vorschulunterrichtes einzubeziehen.
In Finnland bedeutet Vorschulunterricht den systematischen Unterricht und die Erziehung in Kindergärten oder Gesamtschulen im letzten Jahr vor dem Schuleintritt. Die Betonung beim Begriff Vorschulunterricht liegt also auf der Vorbereitung auf den Schulunterricht als Gegensatz zur Früherziehung, die das Kind davor erhält. Die Teilnahme am Vorschulunterricht ist freiwillig. Für den Vorschulunterricht in den Kindergärten wird eine angemessene Gebühr unabhängig von den Vermögensverhältnissen der Eltern entrichtet.
Für den Vorschulunterricht wurden 2000 die Grundlagen des Unterrichtsplans erarbeitet. Die allgemeinen Prinzipien der Grundlagen zielen auch auf die Individualität des Kindes sowie die Bedeutung des aktiven Lernens und der Gruppenarbeit. Der Unterrichtsplan enthält keine Untergliederung in einzelne Unterrichtsfächer oder Unterrichtsstunden, aber er gibt trotzdem verschiedene Themenbereiche sowie Ziele an. Die Themenbereiche sind Sprachen und Interaktion, Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt und Natur, Gesundheit, Physische und motorische Entwicklung samt Kunst und Kultur.
Der Vorschulunterricht basiert auf den Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des Kindes. Die Schwerpunkte liegen in dem Spiel des Kindes und in einer positiven Lebenseinstellung. Die Methoden und Funktionen des Vorschulunterrichtes sind möglichst vielseitig und abwechselnd angelegt. Von wichtiger erzieherischer Bedeutung sind die Aktivitäten, bei denen das Kind lernt, in der Gruppe zu arbeiten. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Unterstützung und Betonung der Eigeninitiative des Kindes als Grundlage aller Aktivitäten.
Im Vorschulunterricht gibt es keine offiziellen Bewertungsmassstäbe, aber es erfolgt eine intensive Beobachtung der Entwicklung des Kindes. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Schulbereitschaft des Kindes, also darauf, wie sich das Gefühlsleben und die sozialen und kognitiven Fähigkeiten des Kindes entwickelt haben.
Etwa 90 % der Sechsjährigen nehmen am Vorschulunterricht teil. Am Vorschulunterricht der Gesamtschulen nehmen etwa 15 % teil. Hier wird der Vorschulunterricht in Vorschulklassen oder zusammengelegten Klassen erteilt. Vorschulunterricht wird zum grössten Teil in Kindergärten angeboten; diese sind dem Ministerium für Soziales und Gesundheit unterstellt.
Die Vorschulereform, die stufenweise seit dem 1. August 2000 in Kraft getreten ist, verpflichtet die Kommunen, für alle berechtigten Kinder einen Vorschulplatz bereitzustellen.
Eine neunjährige Gesamtschule für alle
Auf den Kindergarten baut die neunjährige Gesamtschule auf. Sie gliedert sich in eine sechsjährige Grundstufe und eine Mittelstufe der Klassen 7 bis 9. (siehe Graphik 6) Alle Schulen sind mit einem Fördersystem ausgestattet, das deutsche Lehrerinnen und Lehrer vor Neid erblassen lässt. Neben einem Kurator, der sich im Auftrag der Kommunen um soziale Belange kümmert, stehen Schulpsychologen, Sozialpädagogen, Speziallehrer (special need teachers) mit sonderpädagogischer Ausbildung, eine Krankenschwester, sowie Schulassistenten zu Verfügung und entlasten die Lehrerinnen und Lehrer von all den zeitraubenden Aufgaben, die sie an der Konzentration auf den Unterricht hindern. Wie viel zusätzliches pädagogisches Personal vorhanden ist, hängt von der finanziellen Lage der Kommune ab, die Schulträger ist und die Lehrerinnen und Lehrer einstellt und entlässt, die keinen Beamtenstatus haben. Jede Schule vefügt über ihr eigenes Budget und entscheidet, ob anstatt eines neuen special need teachers ein weiterer Sozialpädagoge eingestellt wird oder umgekehrt.
Die Klassen sind klein, selten größer als 20 Schüler. Welche Kinder während der regulären Unterrichtszeit zum special need teacher gehen entscheidet der Klassenlehrer in Absprache mit den Eltern. Hauptgründe für diesen "Spezialunterricht" sind auch in Finnland Probleme mit dem Lesen und Schreiben oder in Mathematik. 16% aller finnischen Kinder kommen im Laufe ihrer Schulzeit in solch eine Zusatzförderung.
Schulassistenten haben eine nur einjährige pädagogische Ausbildung und begleiten den Lehrer in seinem Klassenunterricht. Ein Schulassistent macht mit den Kindern individuelle Leseübungen oder unterstützt beim Rechnen oder geometrischen Zeichnen das einzelne Kind.
Noten gibt es frühestens ab Klasse 5 und auch dann nur in Verbindung mit einer verbalen Beurteilung. Den Zeitpunkt für die ersten Ziffernnoten kann jede Schule selbst bestimmen.
Eine Unterrichtsstunde hat wie bei uns 45 Minuten, danach schließt sich aber immer eine 15 minütige Pause an, in der die Kinder in der Regel ins Freie gehen. Das nimmt Hektik aus dem Schultag. Die Lehrer nutzen diese Zeit entweder für anstehende Gespräche mit ihren Schülern oder für Absprache mit den Kollegen. Dass das finnische Schulsystem auf Ganztagesschulen beruht stimmt nicht!
Im Gegenteil: Die Klassen 1 bis 4 haben nur 20 Wochenstunden, die älteren Schüler in Klasse 7 bis 9 30 Wochenstunden. Hausaufgaben werden in der Regel zu Hause gemacht. Aber jeder finnische Schüler erhält in der Schule ein kostenloses warmes Mittagessen und geht in der Regel danach nach Hause, wenn er keinen Nachmittagsunterricht hat. "Das Essen in der Schule ist so selbstverständlich, wie dass ein Haus ein Dach hat.", sagte uns ein finnischer Kollege. Seit 1944 ist dies in Finnland gesetzlich verankert.
Auch das Schreibmaterial wie Hefte und Stifte werden von der Schule gestellt.
Die Diskussion um einen erhöhten Bedarf an Ganztagesschulen gibt es in Finnland genauso wie bei uns und man bemüht sich um deren Ausbau.
"Wer spricht schon Finnisch?"
Einen wichtigen Stellenwert hat das Fremdsprachenlernen. Jedes finnische Kind lernt mindestens zwei Fremdsprachen. Englisch, Schwedisch, Deutsch werden am häufigsten gewählt. In der Regel beginnt die erste Fremdsprache in Klasse 3, manchmal auch ab der ersten Klasse. "Für uns ist Sprachenlernen überlebenswichtig. Wer auf der Welt spricht schon Finnisch?", äußern Finnen auf staunendes Nachfragen. Auch im Fernsehen werden alle Filme in Originalsprache mit finnischen Untertiteln gezeigt. Das englische oder deutsche "Sprachbad" erhalten die finnischen Ohren also auch außerhalb der Schule.
Migrantenkinder, deren Anteil mit unter 2% sehr gering ist, haben neben dem finnischen Zusatzunterricht auch ein Anrecht auf zwei Stunden Unterricht in ihrer Muttersprache. In der Hauptstadt Helsinki wird in 50 Sprachen muttersprachlicher Unterricht - natürlich von native-speakern- gegeben.
Sonderschulen für Kinder mit Behinderungen, Sinnesschädigungen oder schweren Verhaltensproblemen gibt es auch in Finnland. Allerdings werden sie meist als Außenklassen an den regulären Gesamtschulen geführt. An den beiden Schulen, die wir besuchten gab es eine Klasse mit Autisten und eine "Dysphasikerklasse" mit sprachbehinderten Kindern.
Die Ausgaben für einen finnischen Grundschüler liegen mit 5000 Euro jährlich im Vergleich zu 3500 Euro in Deutschland um einiges höher. Bei den Mittelstufen- und Gymnasialschülern kehrt sich das Verhältnis um. Auch hier zählt der finnische Leitsatz "Auf den Anfang kommt es an."
Nach der sechsjährigen Grundstufe werden die siebten Klassen neu zusammengesetzt, je nach Interessensschwerpunkt oder Begabung. In einer Klasse lernt man eine dritte Fremdsprache oder erhält zusätzlichen Mathematikunterricht. In anderen Klassen werden eher technische oder hauswirtschaftliche Schwerpunkte gesetzt. Für Schüler mit größeren Lernproblemen werden kleine Klassen mit ca. 15 Schülern gebildet. Die leistungsstärkeren Schüler sitzen in größeren Klassen. Das Klassenlehrerprinzip der Grundstufe wird nun vom Fachlehrer abgelöst.
Wer nach der neunjährigen Gesamtschule den Besuch eines Gymnasiums anstrebt, für den beginnt spätestens in der 9. Klasse die "Büffelphase". Manche Gymnasien mit bestimmtem Profil verlangen einen besonders guten Notendurchschnitt. Aber 50 bis 60% der finnischen Schüler besuchen die gymnasiale Oberstufe. Diese wird nicht mehr im Klassenverband, sondern nur noch im reinen Kurssystem besucht. In der Regel nach 3 Jahren melden sich die Schüler zur Abiturprüfung an, die in ganz Finnland zentrale Prüfungsaufgaben hat und auch zentral in Helsinki korrigiert wird. Ihre eigenen Lehrkräfte haben keinen Einfluss auf die Zensuren. Wer nicht das Gymnasium besucht geht ähnlich wie in Deutschland in eine dreijährige Berufsausbildung. Finnische Abiturienten sind nach 12jähriger Schulzeit und einem vorangegangenen Vorschuljahr genauso alt wie die Deutschen.
Natürlich können drei Tage Schulhospitation in Finnland nicht den detaillierten Einblick in die alltägliche Schulrealität geben. Es fiel aber insgesamt eine ruhige und gelassene Atmosphäre auf Schüler- und Lehrerseite auf. Brennpunktthemen wie Hyperaktivität bei Schülern oder Burn-out und Tinnitus bei Lehrern sind in Finnland eher seltene Randthemen. Ob das eine Folge des finnischen Schulsystems ist oder eher der "finnischen Seele" mag Anlass einer soziologischen Studie sein. Eine amerikanische Lehrerin der Gesamtschule Lappeenranta äußerte, die Umstellung auf die ruhigen, eher zurückhaltenden finnischen Schüler sei doch sehr groß gewesen, nachdem sie zuvor jahrelang an einer Schule im New Yorker Stadtteil Manhattan unterrichtet habe "They were more lively."
Die Unterrichtsmethoden, die wir sahen unterscheiden sich nicht von unseren. Wir sahen moderne Partner- und Gruppenarbeit genauso wie einfachen Frontalunterricht. Das finnische Geheimnis einer speziellen Unterrichtsmethode haben wir nicht entdeckt.
Wer zuvor den Rainhard Kahl Film "Schulen am Wendekreis der Pädagogik" gesehen hatte war nach den Schulbesuchen in manchen Punkten fast wieder beruhigt auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Die Schulausstattung mit Einrichtung und Mobiliar war eher einfach und funktional. In den Schulmensen sahen wir keine Palmen und Wasserspiele. Die Klassenzimmer waren klein, die Pausenhöfe keine Abenteuerspielplätze. Auch hier konnte das finnische PISA-Geheimnis nicht liegen.
Was uns neidisch die Stirn runzeln ließ, war die Auskunft darüber, dass der Lehrerberuf in Finnland ein sehr hohes gesellschaftliches Ansehen erfährt. "Kansankytilla" werden auf dem Land finnische Schulmeister ehrfurchtsvoll genannt, was so viel heißt wie "Kerzen des Volkes".
Auf einen Pädagogik-Studienplatz kommen 10 Bewerber. Die Zulassung läuft über einen Eignungstest. Eine Absage kann auch damit begründet sein, dass der Bewerber u.a. zu wenig Humor für den angestrebten Beruf mitbringe. Die Bezahlung liegt im Vergleich zu anderen akademischen Berufen in Finnland an der unteren Skala und ist ca. ein Drittel geringer als ein deutsches Lehrergehalt, wobei die Deputatsstunden niedriger sind.
"Die Schule ist ein Bindeglied der Gesellschaft."
Das finnische Gesamtschulsystem existiert erst seit den siebziger Jahren. Zuvor gab es ein gegliedertes Schulsystem ähnlich dem Deutschlands. Die Reform war damals politisch umstritten. Davon ist heute keine Rede mehr. Über alle Parteien hinweg wird das Gesamtschulsystem anerkannt. Jukka Sarjala, den man als Vater dieser Schulreform
bezeichnen kann ist nicht ohne Grund stolz auf sein Werk. "Es ist wichtig, dass alle Kinder verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Schichten sich gegenseitig kennenlernen und miteinander leben. Die Schule ist ein Bindeglied der Gesellschaft." Auf das Stütz- und Fördersystem angesprochen äußert er: "Wir sind ein kleines Land mit nur fünf Millionen Einwohnern. Wir müssen uns um Jeden kümmern." Schmunzelnd fügt er hinzu, dass er bei einem Treffen mit der baden-württembergischen Kultusministerin Frau Schavan von CDU-Abgeordneten nach seinen Ausführungen für einen "Linken" gehalten wurde. Natürlich muss er da schmunzeln, ist er doch Mitglied der konservativen Bauernpartei.
Was macht es nun aus das finnische Geheimnis?
Von allem ein bisschen. Entscheidend ist mit Sicherheit die frühe Bildungsinvestition in Kindergarten und Grundschule. In kleinen Gruppen und kleinen Klassen arbeitet gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Ein umfangreiches Stütz- und Fördersystem für Schüler mit Lernproblemen entlastet die Klassenlehrer und hilft dem einzelnen Kind. Keine finnische Klassenlehrerin begreift, dass von ihrer deutschen Kollegin erwartet wird, dem Problem schlicht durch "Binnendifferenzierung" beizukommen. Es geht nie um Auslese, Noten setzen sehr spät ein, Prüfungen sind keine Sackgassen. Und da ist die Gesamtschule, die -fast- alle Schüler eines Jahrganges neun Jahre lang gemeinsam besuchen. Erst ab Klasse 7 entscheiden sie sich für Klassen mit verschiedenen Schwerpunkten, bleiben aber an der gleichen Schule.Mit ein bisschen Reformkosmetik lässt sich Helsinki nicht auf Stuttgart übertragen.
Marion Urbitsch
hier im Forum wird ja sehr viel über problematische Grundschullehrer und Co diskutiert! Es ist natürlich schwer, die genauen Gründe zu finden, oft sind die Pädagogen äußerst überfordert und es kommt bei bestimmten "Themen" zu einer Ignoranz gegenüber Eltern oder z.B. einer LH-Beraterin...
Über Finnland habe ich einen interessanten Artikel über das dortige Schulsystem gelesen. Die Pädagogen haben eine leichtere Arbeitsweise:
Was macht Finnland anders?
"Unser Ziel ist, dass 100% der Schülerinnen und Schüler die gymnasiale Oberstufe besuchen und danach das Abitur machen!" Diese Aussage von Jukka Sarjala, dem ehemaligen Präsidenten des finnischen Zentralamtes für Unterrichtswesen, verbunden mit einem verschmitzten Lächeln, war nicht die einzige Überraschung für 33 Lehrerinnen und Lehrer aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, die an einer PISA-Studienreise nach Finnland teilnahmen. Organisiert von Richard Hänle, dem Vorsitzenden der Deutsch-Finnischen Gesellschaft e.V. Hohenlohe-Franken wurden auf der achttägigen Bildungsreise in den Faschingsferien eine Gesamtschule bei Helsinki mit gymnasialer Oberstufe, sowie eine Gesamtschule in Lappeenranta, der Haller Partnerstadt besucht. Zum Schluss wurde ein Kindergarten mit Vorschule unter die Lupe genommen - eine der wichtigsten Säulen finnischer Bildungspolitik.
Denn: "Auf den Anfang kommt es an!" Von dieser bildungspolitischen Grundthese konnten wir uns in einem städtischen Kindergarten von Lappeenranta, einer 60 000 Einwohnerstadt nahe der russischen Grenze, überzeugen. Dass Kinder bereits ab dem ersten Lebensjahr den Kindergarten besuchen, ist zwar kein Muss, aber in vielen Familien selbstverständlich. In Ausnahmefällen werden sogar noch jüngere Kinder aufgenommen. Die Betreuungszeiten sind so gut es irgendwie geht auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmt. Öffnungszeiten von 6.30 Uhr bis 17.00 sind die Regel. In größeren Städten gibt es auch die Möglichkeit, sein Kind über Nacht oder am Wochenende betreuen zu lassen. Ein Angebot, dass von Berufsgruppen wie SchichtarbeiterInnen, Polizeimitarbeitern oder Krankenhauspersonal gerne in Anspruch genommen wird. Aber natürlich ist es auch möglich, sein Kind auch nur von 8 bis 12 Uhr im Kindergarten zu lassen. "Wenn Eltern ihr Kind bei uns anmelden, haben wir in 2 Wochen einen Platz für das Kind in unserer Stadt, egal zu welchen Zeiten und wie lange.", sagte uns die Leiterin des Kindergartens im Stadtteil Skinnarila.
Die Kinder werden im Tagesablauf abwechselnd altersgemischt und altershomogen betreut. Die Kleinen lernen von den Großen bei Tanz, Spiel und Projekten.
Bei den ein- bis dreijährigen kommt eine Betreuerin auf vier Kinder, bei den älteren ist rein rechnerisch eine Betreuerin für sieben Kinder zuständig. Die Gruppengrößen sind mit 13 bis 15 Kindern eher klein. Die Gruppengröße in deutschen Kindergärten ist oft doppelt so groß.
Feste Essenszeiten - Frühstück, Mittagessen und Nachmittagssnack - gliedern den Tagesablauf. Essen und Trinken stellt der Kindergarten. Kein finnisches Kind geht mit einem Vespertäschchen oder Essensgeld in den Kindergarten. Die Gebühren für einen Kindergartenplatz liegen zwischen 0 und 200 Euro, je nach Verdienst der Eltern und Betreuungszeit des Kindes.
Das Spiel im Freien hat einen großen Anteil im Tagesablauf. Schneeanzug und dicke Winterstiefel gehören zur festen Ausstattung für die langen, kalten finnischen Winter. Für die Kleinen gibt es Betten für Mittagsschlaf und Nickerchen.
Das Personal setzt sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen. Die Erzieherinnen, die eine Gruppe leiten haben Abitur und ein Hochschulstudium absolviert. Daneben gibt es weiteres pädagogisches Personal von Helferinnen und Assistentinnen, was vermutlich den deutschen Kinderpflegerinnen entspricht. In dem von uns besuchten Kindergarten waren 20 Betreuungspersonen für 72 Kinder da, Küchen- und Reinigungspersonal nicht mit eingerechnet.
Fremdsprache schon im Kindergarten
Jeder Kindergarten muss eine eigene Konzeption entwickeln. Eigens entwickelte Profile wie Fremdsprachenlernen oder naturwissenschaftliches Experimentieren sind erwünscht. Im Kindergarten von Skinnarila können die Kinder Russisch lernen. Einige Stunden in der Woche werden sie von einer "Native-speakerin" spielerisch mit der russischen Sprache vertraut gemacht. Andere Kindergärten beginnen mit Englisch, Schwedisch oder Deutsch.
Mit Beginn des sechsten Lebensjahres absolvieren die Kinder im Kindergarten ein Vorschuljahr. Hier wird bereits in Anfängen Lesen und Schreiben gelernt. Im mathematischen Bereich wird im Zahlenraum bis 20 addiert und subtrahiert. Vieles entspricht den Lerninhalten der deutschen ersten Klasse. Aber man denke an die Gruppengröße von höchstens 15 Kindern, und auch die wird oft noch geteilt.
Auch in Finnland gab es die Diskussion um einen zu späten Schulbeginn mit 7 Jahren. Doch mitten in die Diskussion platzten die guten Ergebnisse der PISA-Studie und so ließ man es gerne beim Alten.
Vorschulunterricht
Vorschulunterricht wird für 6jährige angeboten, die im darauffolgenden Jahr ins schulpflichtige Alter kommen. Die Teilnahme am Vorschulunterricht ist freiwillig, der Vorschulunterricht wird in Kindergärten und Vorschulklassen der Gesamtschulen angeboten. Im Herbst 2000 gab es in den Gesamtschulen etwa 11 000 Vorschüler und in den Kindergärten 48 000 Sechsjährige. Das sind über 90 % dieser Altersklasse landesweit. [ISCED 0]
Ziel der Vorschulerziehung ist das Schaffen eines Spiel- und Lernumfeldes, das dem Kind anregende Aktivitäten anbietet und die Möglichkeit, sich gemeinsam mit anderen Kindern vielseitig zu entwickeln. Es wird angestrebt, auch Kinder und Eltern in die Planung des Vorschulunterrichtes einzubeziehen.
In Finnland bedeutet Vorschulunterricht den systematischen Unterricht und die Erziehung in Kindergärten oder Gesamtschulen im letzten Jahr vor dem Schuleintritt. Die Betonung beim Begriff Vorschulunterricht liegt also auf der Vorbereitung auf den Schulunterricht als Gegensatz zur Früherziehung, die das Kind davor erhält. Die Teilnahme am Vorschulunterricht ist freiwillig. Für den Vorschulunterricht in den Kindergärten wird eine angemessene Gebühr unabhängig von den Vermögensverhältnissen der Eltern entrichtet.
Für den Vorschulunterricht wurden 2000 die Grundlagen des Unterrichtsplans erarbeitet. Die allgemeinen Prinzipien der Grundlagen zielen auch auf die Individualität des Kindes sowie die Bedeutung des aktiven Lernens und der Gruppenarbeit. Der Unterrichtsplan enthält keine Untergliederung in einzelne Unterrichtsfächer oder Unterrichtsstunden, aber er gibt trotzdem verschiedene Themenbereiche sowie Ziele an. Die Themenbereiche sind Sprachen und Interaktion, Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt und Natur, Gesundheit, Physische und motorische Entwicklung samt Kunst und Kultur.
Der Vorschulunterricht basiert auf den Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des Kindes. Die Schwerpunkte liegen in dem Spiel des Kindes und in einer positiven Lebenseinstellung. Die Methoden und Funktionen des Vorschulunterrichtes sind möglichst vielseitig und abwechselnd angelegt. Von wichtiger erzieherischer Bedeutung sind die Aktivitäten, bei denen das Kind lernt, in der Gruppe zu arbeiten. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Unterstützung und Betonung der Eigeninitiative des Kindes als Grundlage aller Aktivitäten.
Im Vorschulunterricht gibt es keine offiziellen Bewertungsmassstäbe, aber es erfolgt eine intensive Beobachtung der Entwicklung des Kindes. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Schulbereitschaft des Kindes, also darauf, wie sich das Gefühlsleben und die sozialen und kognitiven Fähigkeiten des Kindes entwickelt haben.
Etwa 90 % der Sechsjährigen nehmen am Vorschulunterricht teil. Am Vorschulunterricht der Gesamtschulen nehmen etwa 15 % teil. Hier wird der Vorschulunterricht in Vorschulklassen oder zusammengelegten Klassen erteilt. Vorschulunterricht wird zum grössten Teil in Kindergärten angeboten; diese sind dem Ministerium für Soziales und Gesundheit unterstellt.
Die Vorschulereform, die stufenweise seit dem 1. August 2000 in Kraft getreten ist, verpflichtet die Kommunen, für alle berechtigten Kinder einen Vorschulplatz bereitzustellen.
Eine neunjährige Gesamtschule für alle
Auf den Kindergarten baut die neunjährige Gesamtschule auf. Sie gliedert sich in eine sechsjährige Grundstufe und eine Mittelstufe der Klassen 7 bis 9. (siehe Graphik 6) Alle Schulen sind mit einem Fördersystem ausgestattet, das deutsche Lehrerinnen und Lehrer vor Neid erblassen lässt. Neben einem Kurator, der sich im Auftrag der Kommunen um soziale Belange kümmert, stehen Schulpsychologen, Sozialpädagogen, Speziallehrer (special need teachers) mit sonderpädagogischer Ausbildung, eine Krankenschwester, sowie Schulassistenten zu Verfügung und entlasten die Lehrerinnen und Lehrer von all den zeitraubenden Aufgaben, die sie an der Konzentration auf den Unterricht hindern. Wie viel zusätzliches pädagogisches Personal vorhanden ist, hängt von der finanziellen Lage der Kommune ab, die Schulträger ist und die Lehrerinnen und Lehrer einstellt und entlässt, die keinen Beamtenstatus haben. Jede Schule vefügt über ihr eigenes Budget und entscheidet, ob anstatt eines neuen special need teachers ein weiterer Sozialpädagoge eingestellt wird oder umgekehrt.
Die Klassen sind klein, selten größer als 20 Schüler. Welche Kinder während der regulären Unterrichtszeit zum special need teacher gehen entscheidet der Klassenlehrer in Absprache mit den Eltern. Hauptgründe für diesen "Spezialunterricht" sind auch in Finnland Probleme mit dem Lesen und Schreiben oder in Mathematik. 16% aller finnischen Kinder kommen im Laufe ihrer Schulzeit in solch eine Zusatzförderung.
Schulassistenten haben eine nur einjährige pädagogische Ausbildung und begleiten den Lehrer in seinem Klassenunterricht. Ein Schulassistent macht mit den Kindern individuelle Leseübungen oder unterstützt beim Rechnen oder geometrischen Zeichnen das einzelne Kind.
Noten gibt es frühestens ab Klasse 5 und auch dann nur in Verbindung mit einer verbalen Beurteilung. Den Zeitpunkt für die ersten Ziffernnoten kann jede Schule selbst bestimmen.
Eine Unterrichtsstunde hat wie bei uns 45 Minuten, danach schließt sich aber immer eine 15 minütige Pause an, in der die Kinder in der Regel ins Freie gehen. Das nimmt Hektik aus dem Schultag. Die Lehrer nutzen diese Zeit entweder für anstehende Gespräche mit ihren Schülern oder für Absprache mit den Kollegen. Dass das finnische Schulsystem auf Ganztagesschulen beruht stimmt nicht!
Im Gegenteil: Die Klassen 1 bis 4 haben nur 20 Wochenstunden, die älteren Schüler in Klasse 7 bis 9 30 Wochenstunden. Hausaufgaben werden in der Regel zu Hause gemacht. Aber jeder finnische Schüler erhält in der Schule ein kostenloses warmes Mittagessen und geht in der Regel danach nach Hause, wenn er keinen Nachmittagsunterricht hat. "Das Essen in der Schule ist so selbstverständlich, wie dass ein Haus ein Dach hat.", sagte uns ein finnischer Kollege. Seit 1944 ist dies in Finnland gesetzlich verankert.
Auch das Schreibmaterial wie Hefte und Stifte werden von der Schule gestellt.
Die Diskussion um einen erhöhten Bedarf an Ganztagesschulen gibt es in Finnland genauso wie bei uns und man bemüht sich um deren Ausbau.
"Wer spricht schon Finnisch?"
Einen wichtigen Stellenwert hat das Fremdsprachenlernen. Jedes finnische Kind lernt mindestens zwei Fremdsprachen. Englisch, Schwedisch, Deutsch werden am häufigsten gewählt. In der Regel beginnt die erste Fremdsprache in Klasse 3, manchmal auch ab der ersten Klasse. "Für uns ist Sprachenlernen überlebenswichtig. Wer auf der Welt spricht schon Finnisch?", äußern Finnen auf staunendes Nachfragen. Auch im Fernsehen werden alle Filme in Originalsprache mit finnischen Untertiteln gezeigt. Das englische oder deutsche "Sprachbad" erhalten die finnischen Ohren also auch außerhalb der Schule.
Migrantenkinder, deren Anteil mit unter 2% sehr gering ist, haben neben dem finnischen Zusatzunterricht auch ein Anrecht auf zwei Stunden Unterricht in ihrer Muttersprache. In der Hauptstadt Helsinki wird in 50 Sprachen muttersprachlicher Unterricht - natürlich von native-speakern- gegeben.
Sonderschulen für Kinder mit Behinderungen, Sinnesschädigungen oder schweren Verhaltensproblemen gibt es auch in Finnland. Allerdings werden sie meist als Außenklassen an den regulären Gesamtschulen geführt. An den beiden Schulen, die wir besuchten gab es eine Klasse mit Autisten und eine "Dysphasikerklasse" mit sprachbehinderten Kindern.
Die Ausgaben für einen finnischen Grundschüler liegen mit 5000 Euro jährlich im Vergleich zu 3500 Euro in Deutschland um einiges höher. Bei den Mittelstufen- und Gymnasialschülern kehrt sich das Verhältnis um. Auch hier zählt der finnische Leitsatz "Auf den Anfang kommt es an."
Nach der sechsjährigen Grundstufe werden die siebten Klassen neu zusammengesetzt, je nach Interessensschwerpunkt oder Begabung. In einer Klasse lernt man eine dritte Fremdsprache oder erhält zusätzlichen Mathematikunterricht. In anderen Klassen werden eher technische oder hauswirtschaftliche Schwerpunkte gesetzt. Für Schüler mit größeren Lernproblemen werden kleine Klassen mit ca. 15 Schülern gebildet. Die leistungsstärkeren Schüler sitzen in größeren Klassen. Das Klassenlehrerprinzip der Grundstufe wird nun vom Fachlehrer abgelöst.
Wer nach der neunjährigen Gesamtschule den Besuch eines Gymnasiums anstrebt, für den beginnt spätestens in der 9. Klasse die "Büffelphase". Manche Gymnasien mit bestimmtem Profil verlangen einen besonders guten Notendurchschnitt. Aber 50 bis 60% der finnischen Schüler besuchen die gymnasiale Oberstufe. Diese wird nicht mehr im Klassenverband, sondern nur noch im reinen Kurssystem besucht. In der Regel nach 3 Jahren melden sich die Schüler zur Abiturprüfung an, die in ganz Finnland zentrale Prüfungsaufgaben hat und auch zentral in Helsinki korrigiert wird. Ihre eigenen Lehrkräfte haben keinen Einfluss auf die Zensuren. Wer nicht das Gymnasium besucht geht ähnlich wie in Deutschland in eine dreijährige Berufsausbildung. Finnische Abiturienten sind nach 12jähriger Schulzeit und einem vorangegangenen Vorschuljahr genauso alt wie die Deutschen.
Natürlich können drei Tage Schulhospitation in Finnland nicht den detaillierten Einblick in die alltägliche Schulrealität geben. Es fiel aber insgesamt eine ruhige und gelassene Atmosphäre auf Schüler- und Lehrerseite auf. Brennpunktthemen wie Hyperaktivität bei Schülern oder Burn-out und Tinnitus bei Lehrern sind in Finnland eher seltene Randthemen. Ob das eine Folge des finnischen Schulsystems ist oder eher der "finnischen Seele" mag Anlass einer soziologischen Studie sein. Eine amerikanische Lehrerin der Gesamtschule Lappeenranta äußerte, die Umstellung auf die ruhigen, eher zurückhaltenden finnischen Schüler sei doch sehr groß gewesen, nachdem sie zuvor jahrelang an einer Schule im New Yorker Stadtteil Manhattan unterrichtet habe "They were more lively."
Die Unterrichtsmethoden, die wir sahen unterscheiden sich nicht von unseren. Wir sahen moderne Partner- und Gruppenarbeit genauso wie einfachen Frontalunterricht. Das finnische Geheimnis einer speziellen Unterrichtsmethode haben wir nicht entdeckt.
Wer zuvor den Rainhard Kahl Film "Schulen am Wendekreis der Pädagogik" gesehen hatte war nach den Schulbesuchen in manchen Punkten fast wieder beruhigt auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Die Schulausstattung mit Einrichtung und Mobiliar war eher einfach und funktional. In den Schulmensen sahen wir keine Palmen und Wasserspiele. Die Klassenzimmer waren klein, die Pausenhöfe keine Abenteuerspielplätze. Auch hier konnte das finnische PISA-Geheimnis nicht liegen.
Was uns neidisch die Stirn runzeln ließ, war die Auskunft darüber, dass der Lehrerberuf in Finnland ein sehr hohes gesellschaftliches Ansehen erfährt. "Kansankytilla" werden auf dem Land finnische Schulmeister ehrfurchtsvoll genannt, was so viel heißt wie "Kerzen des Volkes".
Auf einen Pädagogik-Studienplatz kommen 10 Bewerber. Die Zulassung läuft über einen Eignungstest. Eine Absage kann auch damit begründet sein, dass der Bewerber u.a. zu wenig Humor für den angestrebten Beruf mitbringe. Die Bezahlung liegt im Vergleich zu anderen akademischen Berufen in Finnland an der unteren Skala und ist ca. ein Drittel geringer als ein deutsches Lehrergehalt, wobei die Deputatsstunden niedriger sind.
"Die Schule ist ein Bindeglied der Gesellschaft."
Das finnische Gesamtschulsystem existiert erst seit den siebziger Jahren. Zuvor gab es ein gegliedertes Schulsystem ähnlich dem Deutschlands. Die Reform war damals politisch umstritten. Davon ist heute keine Rede mehr. Über alle Parteien hinweg wird das Gesamtschulsystem anerkannt. Jukka Sarjala, den man als Vater dieser Schulreform
bezeichnen kann ist nicht ohne Grund stolz auf sein Werk. "Es ist wichtig, dass alle Kinder verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Schichten sich gegenseitig kennenlernen und miteinander leben. Die Schule ist ein Bindeglied der Gesellschaft." Auf das Stütz- und Fördersystem angesprochen äußert er: "Wir sind ein kleines Land mit nur fünf Millionen Einwohnern. Wir müssen uns um Jeden kümmern." Schmunzelnd fügt er hinzu, dass er bei einem Treffen mit der baden-württembergischen Kultusministerin Frau Schavan von CDU-Abgeordneten nach seinen Ausführungen für einen "Linken" gehalten wurde. Natürlich muss er da schmunzeln, ist er doch Mitglied der konservativen Bauernpartei.
Was macht es nun aus das finnische Geheimnis?
Von allem ein bisschen. Entscheidend ist mit Sicherheit die frühe Bildungsinvestition in Kindergarten und Grundschule. In kleinen Gruppen und kleinen Klassen arbeitet gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Ein umfangreiches Stütz- und Fördersystem für Schüler mit Lernproblemen entlastet die Klassenlehrer und hilft dem einzelnen Kind. Keine finnische Klassenlehrerin begreift, dass von ihrer deutschen Kollegin erwartet wird, dem Problem schlicht durch "Binnendifferenzierung" beizukommen. Es geht nie um Auslese, Noten setzen sehr spät ein, Prüfungen sind keine Sackgassen. Und da ist die Gesamtschule, die -fast- alle Schüler eines Jahrganges neun Jahre lang gemeinsam besuchen. Erst ab Klasse 7 entscheiden sie sich für Klassen mit verschiedenen Schwerpunkten, bleiben aber an der gleichen Schule.Mit ein bisschen Reformkosmetik lässt sich Helsinki nicht auf Stuttgart übertragen.
Marion Urbitsch