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Ruth Sichert
22.08.2003, 11:35
Hallo!

Ich bin neu hier, finde das Forum aber ungemein interessant!!

Ich bin jetzt 35 Jahre alt und wurde als Kind von links auf rechts umgeschult.

Da mein jüngerer Sohn (11 Jahre) Linkshänder ist entbrannte eine heftige Diskussion zwischen mir und meinem Schwager (Arzt) weil dieser meinte ich müsse meinen Sohn unbedingt auf rechts umschulen.

Ich habe mich Gott sei Dank nicht beeinflussen lassen.

Allerdings wurde ich dadurch auf dieses Thema hingestoßen und habe jetzt ganze 5 Jahre gebraucht, bis ich (nach zahlreichen Therapien bei denen die Umschulung zwar von mir erwähnt, aber nie als das Problem gewertet wurde) kapiert habe, was meine Umschulung bei mir angerichtet hat.

Leider bin ich jetzt total durcheinander. Ich mache viel mit links, aber halt auch viel mit rechts. Teilweise war ich mir nicht einmal mehr sicher ob ich wirklich Linkshänder war/bin. Mein Vater etc. haben mir das aber zum Glück klar bestätigt. Jedenfalls möchte ich mich gerne rückschulen. Ich habe hier einige Beiträge zu diesem Thema gelesen. Mich interessieren aber die Verläufe einer Rückschulung die andere erlebt haben. Was ist da so alles passiert. War da vorher auch dieses Chaos im Kopf? Ich habe ein unbändiges Bedürfnis mich auszutauschen mit Leuten, die das schon erlebt haben.

Bitte helft mir!!!

Ruth

holger
22.08.2003, 14:24
Hallo Ruth,


ich kann mich da nur anschließen!

Dieses Chaos kenne ich zu genüge..........

Psychiater hatte ich schon vor Jahren zu Hauf

besucht........nie ist eine Umpolung bei mir als

Thema anerkannt worden. Meist heißt es, daß es viele

Umerzogene gibt und demnach müssten die ja alle "bekloppt"

sein.

Ich habe wahrscheinlich aus der Not eine Tugend gemacht und

sogar noch ein Studium absolviert(war ganz schön hart.

Tatsächlich sehe ich nun, daß reine Rechtshänder oft ungeschickter

sind oder zumindest auf wenige Dinge beschränkt, die Sie dann aber

vielleicht richtig gut können!?


Naja, ich weiß, für unser Chaos ist das vielorientierte ja manchmal

eher eine Last, oder?

Ich denke, daß es Dir vielleicht auch so geht?!


Unabhängig davon was irgendwelche statistischen Unersuchungen sagen,

würde mich interessieren, ob Du pesönlich denkst, daß es Dir guttut,

wenn Du nun alles auf Links zurückdrehen willst oder würdest?


Ich weiß das nämlich leider auch nicht und leide manchmal darunter bzw. unter

dem Chaos. An irgendetwas muß man sich natürlich festhalten können.......

sozusagen "auf eine Seite schlagen", die bei uns aber ja gar nicht so einfach

auszumachen ist!!


Ich zeichne seit eh und je links... nur wenn ich jetzt wieder links schreibe,

ab und zu will ich ständig spiegelverkehrt schreiben.

Das fühlt sich irgenwie auch nicht so gut an!

Ich weiß also auch absolut nicht, ob man das rechts schreiben am Ende nicht

wieder vermisst??


vielleicht kommen wir der Sache ja Schritt für Schritt etwas näher?


Bis dann.


Gruß Holger

Birgit
22.08.2003, 14:26
Hallo Ruth,


gut, daß du gegen die Scheinkompetenz anderer durchgesetzt hast und deinem Sohn gegenüber wirklich solidarisch warst. Wie viele von uns Umgeschulten haben sich so viel Rückgrat von ihren Eltern vergeblich gewünscht. Wenn Dein Sohn später einmal begreift, welchen Schutz du ihm damit gegeben hast, wird er es dir sehr danken.


Leider ist das Thema "Umschulung und ihre Folgen bei Therapeuten" nicht bekannt, weder in Aus- noch in Fortbildung und auch eine eventuelle eigene Betroffenheit führt in der Regel noch nicht dazu, sich mit dem Bereich auseinanderzusetzen. Wenn man im therapeutischen Bereich arbeitet und den Beruf gut machen will, muß man sich um einiges mehr und tiefergehend selbst hinterfragen und lässt sich auch stärker hinterfragen, als der Durchschnittsbürger. Und das ist wirklich nicht einfach. Zumindest glaube ich rückblickend, daß ich ob meiner Zusatzausbildung parallel zur Rückschulung auf andere Art in manche Fragestellungen hineingeraten bin. Und daß beides bei mir parallel stattfand und -findet ist nun wirklich des Schicksals Fügung. Geplant hatte ich das wirklich nicht. Und was ich damit später mache, weiß ich auch noch nicht.(-:


Die Verläufe von Rückschulungen findest du im Archiv vom Forum unter dem Stichwort Rückschulung und allen damit verbundenen Überschriften. Ich selbst habe mit 37 begonnen, linkshändig schreiben zu lernen. Einige andere hier im Forum waren in ähnlichem Alter. Es scheint also eine günstige Zeit zu sein, den Absprung zu wagen. (-:


Es fällt mir momentan schwer, den Verlauf von bei mir nun 4 Jahren Rückschulung in ein paar Sätze zu packen. Ich nehme an, dich interessiert vor allem der Anfang von dem Ganzen. Vieles habe ich hier schon in früheren Beiträgen erzählt. Das Chaos im Kopf hatte ich in meinem umgeschulten Leben auch. Es war nicht nur Chaos in meinem Kopf sondern auch in meiner Seele. Gott sei Dank ist das jetzt vorbei. Ich habe meinen Absprung keinen Augenblick bereut und möchte keine Sekunde mehr zurück in mein früheres, umgeschultes Leben. Vielleicht kannst du mir sagen, welche Bereiche dich besonders interessieren, dann könnte ich besser auf deine wirklichen Bedürfnisse einzugehen. Was ich gerne tun will.




Laß von dir hören.


Gruß

Birgit

Birgit
22.08.2003, 14:56
Hallo Holger,


> Ich weiß also auch absolut nicht, ob man das rechts schreiben am Ende nicht

wieder vermisst?? <

Wie das bei dir würde, weiß ich nicht. Ich vermisse es keine Sekunde. Nach 4 - 5 Wochen Rückschulung war mir rechtshändiges Schreiben nicht mehr möglich. Das war zwar vorübergehend anstrengend, aber nach etwa 4 Monaten klappte es schon recht gut. Und ich musste damals wirklich sehr viel in meiner Arbeit mit der Hand schreiben, Berichte und in Sitzungen mitprotokollieren. ( Ohne Steno! ). Aber ich wollte meine Rückschulung absolut und war bereit, sie durchzuziehen. Die Regie über die Rückschulung hat dann letztendlich mein Körper und meine Intuition übernommen. Daß die beiden so zielorientiert, ausdauernd und einfallsreich sind - typisch LH halt -, das hatte ich vorher nicht gewusst. (-:


Ich glaube, wenn man sich wirklich dafür entscheidet zurückzuschulen, dann klappt Rückschulung insgesamt gut. Diese Entscheidung kann nur aus der eigenen Seele kommen und dem Glauben daran, daß sie einem letztendlich gut tut.

Wenn man Zweifel an der Sache hat, sollte man sie vielleicht besser erst mal zurückstellen. Rückschulung ist NICHT zwingend!


Gruß

Birgit

Ruth Sichert
22.08.2003, 15:42
Ich selbst habe mit 37 begonnen, linkshändig schreiben zu lernen. Einige andere hier im Forum waren in ähnlichem Alter. Es scheint also eine günstige Zeit zu sein, den Absprung zu wagen. (-:


Scheint so, ja. Vielleicht war es bei mir auch meine große Lebenskrise (mit Scheidung und neuer Beziehung mit wahnsinnigem Hass von der Ex-Ehefrau meines Lebenspartners und dann noch die Erkenntnis dass mein großer Sohn (13) schwerer Legastheniker und ADS-Kind und mein kleiner (11) ebenfalls Legastheniker ist mit darauf folgendem Kampf an allen Fronten) die Ursache dafür dass ich merkte so geht es nicht weiter. Aber wie gesagt alle Therapien und Gespräche verliefen im Sand. Ich wusste nur etwas stimmt nicht mit mir. Und dass das schon seit frühester Kindheit so ist.



>Es fällt mir momentan schwer, den Verlauf von bei mir nun 4 Jahren Rückschulung in ein paar Sätze zu packen. Ich nehme an, dich interessiert vor allem der Anfang von dem Ganzen. Vieles habe ich hier schon in früheren Beiträgen erzählt. Das Chaos im Kopf hatte ich in meinem umgeschulten Leben auch. Es war nicht nur Chaos in meinem Kopf sondern auch in meiner Seele. Gott sei Dank ist das jetzt vorbei. Ich habe meinen Absprung keinen Augenblick bereut und möchte keine Sekunde mehr zurück in mein früheres, umgeschultes Leben. Vielleicht kannst du mir sagen, welche Bereiche dich besonders interessieren, dann könnte ich besser auf deine wirklichen Bedürfnisse einzugehen. Was ich gerne tun will.

>

Ich hatte mich schon länger mal mit dem Thema Rückschulung beschäftigt, allerdings sehr zögerlich, weil ich ja rechts ganz gut klar komme so rein motorisch gesehen. Dann erfuhr ich von verschiedenen Seiten, dass eine Rückschulung sehr gefährlich sei und ich hätte doch eine schöne Schrift und das Leben wäre als Linkshänder viel komplizierter und ich hätte doch den Vorteil beidhändig zu sein etc., etc. kennst sicher alles (: (dies ist mein erster Linkshänder-Smily!!!!)

Also hab ich das wieder in eine dunkle Seelenecke gedrängt.

Nur mit meiner letzten Therapie ist das so langsam wieder hochgekocht. Vor allem viel Wut und die Erkenntnis, dass ich jetzt nach 35 Lebensjahren immer noch das Gefühl hab ich bin nicht richtig so wie ich bin. Und das will ich jetzt nicht mehr. Ich hab die Schuldgefühle und die Unsicherheit satt. Ich möchte bei Gesprächen mit Leuten die ich bewundere nicht mehr stumm da stehen aus Angst ich bringe keinen vollständigen Satz raus und steh da wie ein Depp.

Außerdem hab ich ziemliche Konzentrationsstörungen und wahnsinnig viel Kopfweh.

Jedenfalls will ich das ändern.

Und so stellt sich für mich halt die Frage ob das wirklich so gefährlich ist.

Außerdem mache ich ja doch einiges mit der rechten Hand wie z.b. Ballwerfen, die Computermaus bedienen, mit dem Messer o. Schere schneiden etc. Deshalb war ich ja auch dann irgendwann nicht mehr sicher ob ich wirklich Linkshänder bin.

Und ich frag mich, ob ich das mit z.b. der Maus oder dem schneiden auch mit der linken Hand kann. Also mit der Nagelschere schneid ich schon auch links, aber normalerweise mit der rechten.

Wie läuft so eine Rückschulungsberatung ab? Wie weit darf ich selber ausprobieren? Kriegt man da wirklich wieder ne einigermaßen "erwachsene" Handschrift und wie lange dauert das (arbeite in einer Steuerkanzlei und da schaut so ein Kindergekrakel hat doch etwas doof aus)? Wie fange ich das an?

Bringt mir das für z.b. meine schlechte Konzentration was? Klar, jeder reagiert anders aber was hat die Umschulung dir genau gebracht?


Arme Birgit, ich schreib viel zu viel gelle? Tut mir leid, aber in mir kreist es dauernd rum. Echt chaotisch.

Danke für deine so schnelle Antwort!!!!

Ruth




>Laß von dir hören.

>Gruß

>Birgit

Ruth Sichert
22.08.2003, 15:49
>Unabhängig davon was irgendwelche statistischen Unersuchungen sagen,

>würde mich interessieren, ob Du pesönlich denkst, daß es Dir guttut,

>wenn Du nun alles auf Links zurückdrehen willst oder würdest?

>Ich weiß das nämlich leider auch nicht und leide manchmal darunter bzw. unter

>dem Chaos. An irgendetwas muß man sich natürlich festhalten können.......

>sozusagen "auf eine Seite schlagen", die bei uns aber ja gar nicht so einfach

>auszumachen ist!!

>Ich zeichne seit eh und je links... nur wenn ich jetzt wieder links schreibe,

>ab und zu will ich ständig spiegelverkehrt schreiben.

>Das fühlt sich irgenwie auch nicht so gut an!

>Ich weiß also auch absolut nicht, ob man das rechts schreiben am Ende nicht

>wieder vermisst??

>vielleicht kommen wir der Sache ja Schritt für Schritt etwas näher?

>Bis dann.

>Gruß Holger


Hi Holger!


Ich glaube sogar sehr, dass mir das guttut. Ich fühle mich seit jeher "verkehrt", obwohl ich eine sehr brave umgepolte bin, also recht gut mit der rechten Hand zurechtkkomme. Schwierigkeiten hab ich motorisch nur bei neuen Abläufen, die ich noch nicht kenne oder so Kleinigkeiten wie Pfeffermühle und Korkenzieher, etc., wofür ich aber ganz gute Lösungen entwickelt habe.

Für mich ist meine Seele diejenige, die mich zu einer Rückschulung drängt. Seit ich dieses Thema "Rückschulung" für mich bewusst zulasse geht es mir schon besser. Und links schreiben stelle ich mir super vor. Ich glaub deshalb nicht, dass ich das rechts schreiben vermissen werde.


Herzlich

Ruth

Birgit
22.08.2003, 19:18
Hallo Ruth,


ich hatte heute frei und deshalb Zeit schnell zu antworten. Aber nur heute.


> Ich wusste nur etwas stimmt nicht mit mir. Und dass das schon seit frühester Kindheit so ist.<

Eigenartig an sich. An sich stimmt bei einem Säugling ursprünglich alles. Er ist in sich perfekt, sonst könnte er nicht leben. Nur manchmal begreift das Umfeld nicht und bringt das perfekte Menschenkind mit Hingabe in Unordnung. Weil man "Regeln für's Leben" mit "Lebensregeln" und "Gruppenfähigkeit" mit "Gruppenkonformität" verwechselt.


> Dann erfuhr ich von verschiedenen Seiten, dass eine Rückschulung sehr gefährlich sei ...<

Seufz. Ja, natürlich.... und wenn man nicht brav ist, dann kommt der Buhmann und tut einen fressen.


Ich - aber das ist meine persönliche Haltung - meine, daß Rückschulung dann gut funktioniert, wenn man sie selbst WIRKLICH will und man sich VORHER mit dem Thema BEFASST und die Rückschulung für sich GEPLANT hat. Es hat keinen Sinn, die eigene Rückschulung von anderen abhängig zu machen, anderen die Verantwortung für die richtige Vorbereitung, Durchführung, Unterstützung oder ähnliches zu geben. Das kann nicht funktionieren. Man muß schon selbst ran und selbst suchen und selbst bereit sein, Tiefs durchzustehen. Es ist ureigenste Entscheidung, die man keinem anderen ans Bein binden kann. Sie fordert Eigenverantwortung für das was man tut.


Es ist eine gewaltige Persönlichkeitsentwicklung die einsetzt und auch körperlich kommt es zu einer Veränderung, die ihresgleichen suchen muß. Das Gehirn reorganisiert sich sehr umfassend hin zu seinen natürlichen Verarbeitungsprozessen. Wie es das macht und in welchem Umfang und mit welchem Erfolg, das bleibt letztendlich - glaube ich - ein Geheimnis des Lebens an sich. Das muß man nehmen, wie das Leben es einem gibt. Allerdings glaube ich sehr an die Kraft der Natur. Die Menschheit hätte nicht überlebt, wäre homo sapiens aus Zucker. Die gesamte Motorik stellt sich auf das natürliche Körpergleichgewicht und die natürlichen Bewegungsabläufe um. Es kommt tatsächlich zu Phasen, in denen die Gefühle Achterbahn fahren, man den Eindruck hat, man ist im verkehrten Film, und dann kommt eine Phase der Wut und Trauer über alles Erlebte, weil das eigene Leben noch einmal vor dem inneren Auge Revue passiert. Aber wie gesagt: Es macht Sinn, selbst dazu in den Quellen zu lesen, die ich dir genannt habe. Du mußt dir deinen eigenen Weg suchen. Sonst funktioniert die Sache nicht.


> Nur mit meiner letzten Therapie ist das so langsam wieder hochgekocht. Vor allem viel Wut und die Erkenntnis, dass ich jetzt nach 35 Lebensjahren immer noch das Gefühl hab ich bin nicht richtig so wie ich bin. <

Da ist der grundlegende Denkfehler, der auch dir eingetrichtert wurde.

Natürlich bist du grundlegend so richtig, wie du bist. Du lebst nur nicht dir selbst gemäß. Deine dir anerzogene Schreib-/Lebensweise ist für dich nicht die richtige für dich.


> Und das will ich jetzt nicht mehr.<

Und das ist vernünftig.


> Ich hab die Schuldgefühle und die Unsicherheit satt. Ich möchte bei Gesprächen mit Leuten die ich bewundere nicht mehr stumm da stehen aus Angst ich bringe keinen vollständigen Satz raus und steh da wie ein Depp.<

"Wenn du jemanden bewunderst, schau noch einmal genau hin. Vielleicht hast du dich nur selbst klein gemacht."


> Außerdem hab ich ziemliche Konzentrationsstörungen und wahnsinnig viel Kopfweh. Jedenfalls will ich das ändern. Und so stellt sich für mich halt die Frage ob das wirklich so gefährlich ist.<

Ich habe für mich folgendes Bild entwickelt: Umgeschult werden und leben ist wie ein Leben als Höhlenforscher. Ziemlich dunkel und anstrengend und "uselich" da unten. Aber auch spannend, weil es auch im Dunkeln viele verborgene Schätze gibt. Wenn man Zurückschult, dann ist das wie Bergsteigen anfangen. Als ehemaliger Höhlenforscher ist man Anstrengung gewöhnt, ebenso die dünne Luft und die Gefahr. Man muß sich bloß an das helle Licht und die neue Richtung ( nach oben statt nach unten ) gewöhnen. Wenn man das mit Umsicht macht - und nur ein Narr wäre nicht umsichtig - dann hat man alle Voraussetzungen dafür, das gut zu schaffen. Man muß sich halt Zeit lassen für die Umstellung. Auf die Nase fallen und sich weh tun, kann man bei beiden Sportarten.


> Wie läuft so eine Rückschulungsberatung ab? <

Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin eine "Free style Rückschülerin".


> Wie weit darf ich selber ausprobieren? <

So viel du willst. Hör' auf deine Bedürfnisse. Sie sind es, die dir deine richtige Richtung zeigen.


> Kriegt man da wirklich wieder ne einigermaßen "erwachsene" Handschrift und wie lange dauert das (arbeite in einer Steuerkanzlei und da schaut so ein Kindergekrakel hat doch etwas doof aus)? <

Also, ich mache auch einiges mit viel offizieller Schreiberei. Wenn ich heute in alten Vorgängen meine frische Rückschulungs(unter)schrift lese, dann finde ich sie nach wie vor liebenswert. Mir war ziemlich egal, was andere von mir denken. Es ging mir um mich selbst. Für mich wichtige Leute informierte ich knapp über meine Rückschulung - mehr nicht. Du bekommst nach ein paar Monaten zunehmend deine ganz persönliche Handschrift.


> Wie fange ich das an? <

So, wie du das für richtig hältst. Du weißt es an sich jetzt schon in dir, wo's lang geht. Da bin ich mir sicher. Deine vielen Fragen deuten darauf hin. (-:




> Bringt mir das für z.b. meine schlechte Konzentration was? <

Ich kann mich heute anders konzentrieren als früher. Vor allem mit mehr Ruhe. Was allerdings zunehmend wegfällt ist die gnadenlose Selbstdisziplin, die ich mir als Kind angeeignet hatte.


> Klar, jeder reagiert anders aber was hat die Umschulung dir genau gebracht?<

Die Rückschulung, und die meinst du an sich, die hat mir mich selbst zurück gebracht. Ich bin wesentlich selbstbewusster geworden. Das heiß: ich bin mir meiner selbst mehr bewusst als je zuvor. Ich weiß, was ich durch die Umschulung unwiederbringlich verloren habe, über meine jetzigen Grenzen und bleibenden Empfindlichkeiten aber auch mehr um meine vorhandenen Fähigkeiten. Ich kann mich nicht überall aber doch in vielen Bereichen besser abgrenzen. Es macht mir nichts mehr aus, Außenseiterin zu sein, weil ich erstaunlich viele Außenseiter seither entdeckt habe, mit denen ich gut auskomme. Neulich auf einer Veranstaltung kamen unerwarteterweise die "zentralen" Leute als erstes zu mir, die ich mich friedlich und zufrieden im Abseits hielt. Mich hat das ziemlich verwirrt aber auch gefreut. Wenn mir etwas nicht gut tut, dann kann ich es fallen lassen und mir was anderes suchen. Was für mich wunderbar ist, daß ich wieder Zugang zu meiner Sprache gefunden habe. Jetzt kann ich endlich das angemessen in Sprechen umsetzen, was ich sagen will. Das kam letztes Jahr und dabei hat mir ein LH sehr geholfen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Meine Arbeit mache ich völlig anders, wesentlich intensiver, sinnvoller und bereichernder - für die Leute und für mich selbst. Letztes Jahr, das war recht lustig, merkte ich bei einer Konzertnacht, daß ich auf einmal anders, klarer sehe und höre als früher. Als wären da alte Begrenzungen weggefallen. Und ich habe den Mut gefunden, Dinge, die ich seit Jahren gerne ausprobieren wollte, endlich zu tun: Steinbildhauerei, Bogenschießen. Und dann war da noch einiges andere mehr. Ich habe viel(e) zurückgelassen aber ich habe mich gewonnen und was will ich noch mehr?


Nur, das bin ich. Dir wird die Rückschulung deine eigene Persönlichkeit, deine eigenen Fähigkeiten und Grenzen zurückbringen, mit denen du dir dein eigenes Leben so einrichten kannst, wie es dir entspricht.


> ... in mir kreist es dauernd rum. Echt chaotisch.<

Ja, die Zeit vor der endgültigen Entscheidung ist spannend. Für mich ist so ein Rückblick wie der hier auch immer wieder ganz gut. Die Freude über das Erreichte ist immer wieder auf's Neue schön.


Noch Fragen? Dann nur zu. Allerdings evtl. nicht mehr ganz so rasch und umfangreich die Antwort erwarten. Hier steht noch einiges andere an.


Schönes Wochenende.

Birgit