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Vollständige Version anzeigen : Wissenschaftliche Studien zur Linkshändigkeit


Eduard Kraft
19.08.2002, 13:47
Liebe Linkshänderinnen und Linkshänder!


im Rahmen von zwei wissenschaftlichen Untersuchungen, die in München und Ulm

stattfinden, suchen wir interessierte Linkshänder, die etwas über die

Organisation des Gehirns lernen wollen.


In München wird die Studie an der Psychiatrischen Uniklinik durchgeführt, und

beschäftigt sich mit der Frage, ob abhängig von der Händigkeit bestimmte

Bereiche in den beiden Hirnhälften unterschiedlich gross sind. Der Bereich, der uns interessiert ist das sogenannte Zingulum. Diese Region ist vermutlich ganz

wichtig bei Treffen von Entscheidungen und der Durchführung komplizierter Bewegungen, andererseits scheint sie ganz massgeblich an unserer Gefühlswahrnehmung beteiligt zu sein.

Wir messen untersuchen diese Region mit der Kernspintomographie, das ist ein

Gerät, das sehr gute Bilder des Gehirns anfertigen kann, ohne dass dabei eine

Strahlenbelastung anfällt.

Die Untersuchung dauert knapp 20 Minuten und unbedenklich.

Einziger Hinderungsgrund wären stattgehabte Hirnoperationen und das Vorhandensein eines Schrittmachers.



In Ulm wird eine Studie mit der funktionellen Kernspintomographie

in der Neurologischen Klinik der Universität durchgeführt,

bei der die Orte im Gehirn (kortikale Repräsentation) und mögliche Seitenunterschiede (Asymmetrien) zwischen Links- und Rechtshändern gefunden werden sollen, die für Bewegungen verantwortlich sind. Außerdem möchten wir herausfinden, wie sich diese Hirnregionen auf unterschiedliche Anforderungen des Zusammenspiels beider Hände verhalten. Dazu werden Handbewegungen, die unterschiedlich unsere Fähigkeit der bimanuellen Koordination beanspruchen, miteinander verglichen.


Sollte der eine oder andere sich für eine von beiden Studien interessieren und

auch noch zufällig im Umkreis von München oder Ulm leben, bin ich unter

folgenden Emailadressen erreichbar:


[email protected]


[email protected]


Für weitere Fragen stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.


Vielen Dank!


Mit freundlichen Grüßen


Dr. med. E. Kraft

Birgit
20.08.2002, 21:39
Lieber Herr Kraft,


zu Ihrer Anfrage habe ich schon einige Fragen, deren Beantwortungvielleicht auch für andere hier interessant wären:


1. Wer führt denn diese Studie durch? Ärzte, Psychologen, Psychiater, Studenten oder wer sonst???


2. Sind die Durchführenden der Studie selbst Linkshänder? Ich würde mich prinzipiell nur Linkshändern und zwar nicht umgeschulten oder wieder vollständig zurückgeschulten anvertrauen.


3. Warum wollen sie für die Studie ausgerechnet Linkshänder? Tun's denn die Gehirne von Rechtshändern nicht genauso? Wir sollen doch eine Minderheit sein und dann wäre die Studie nicht repräsentativ, wenn zu viele von uns in der Versuchsgruppe wären.


4. Unsere LH-Gehirne sind von der Umschulung in der Regel außersordentlich belastet worden. Das kann zu Fehlern in der Studie führen. Wie wollen Sie das im Ergebnis berücksichtigen?


5. Ich kenne die Organisation meines Gehirnes recht gut. Ich weiß auch, was angerichtet wurde, als ich umgeschult wurde. Das war beobachtbar, hat aber keinen interessiert. Ich schätze mein Gehirn sehr hoch ein und halte es für ein schützenswertes Wunderwerk der Natur. Damit weiß ich alles, was ich wissen muß.

Ist es an sich nicht so, daß die Durchführenden der Studie aus den Testergebnissen der Teilnehmer für sich lernen und sie für ihr eigenes berufliches Fortkommen verwenden wollen? Wenn dem so ist, und dem ist so, dann fände ich es nur fair von Ihnen, das hier auch offen zu schreiben.


6. Wer zahlt die Kosten für die Anfahrt, Verpflegung vor Ort und eventuellen Verdienstausfall?


7. Wird man für die Bereitschaft, Sie bei Ihrer Studie durch Teilnahme und Bereitstellung des eigenen Gehirnes und seiner Fähigkeiten zu unterstützen, entlohnt? Wenn ja, in welcher Höhe?



8. Was passiert nach Ende der Studie mit den CTG-Bildern. Bekommt man die zusammen mit den Negativen zurück. Solche Aufnahmen sind etwas höchst Persönliches.


9. Müssen die Teilnehmer zu Ihnen kommen, oder kommen sie den eventuellen Teilnehmern auch "etwas entgegen" z. B. in dem man erst einmal außerhalb vom Testraum und der Uniklinik mit Ihnen und den Beteiligten Kontakt aufnehmen kann? Oder ist lediglich ein Erscheinen zum Testen in den entsprechenden Räumen gewünscht.


10. Werden vorher noch Anamnesen erhoben und müssen Teilnehmer/innen vor dem Test Fragebögen ausfüllen.


11. Welche Kriterien setzte die Ethik-Komission bei der Genehmigung der Studie an?


Einer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen.


Mit freundlichen Grüßen

Birgit

Birgit
20.08.2002, 22:17
Lieber Herr Kraft,


und dann fällt mir noch eine Frage ein:


Wären Sie denn bereit, als Ausgleich für das freundliche Entgegenkommen von uns Linkshändern/innen darauf Einfluß zu nehmen, daß die Diagnostik in Psychiatrie und Medizin künftig die Folgen von Umschulungen bei Linkshändern/innen mit aufnimmt? Auch die Vorlesungen an den Universitäten wären ein weites Feld, in denen Änderungen seit Jahren anstünden. Die Idee, daß Linkshänder nicht mehr umgeschult werden ist ja nicht realistisch. Es wird weiterhin getan. Also werden wir weiterhin auch im Erwachsenenbereich des Gesundheits- und Sozialwesens mit den Problemen dieser in ihrer Natur zu tiefst mißachteten Menschen zu tun haben.


Vor kurzem wurde mir wieder mal eine Patientin, bei der ich die LH und Umschulung geklärt hatte, unter Zwang ins BKH gebracht, gewohnheitsmäßig als Psychotikerin abgehakt und entsprechend behandelt. Obwohl ich mit der Betroffenen das Thema höchst unpsychotisch besprochen und auch der Ärztin davon berichtet hatte. Aber da war nur Staunen ob meiner Worte und dann die gewohnte Behandlung. War nicht schön, für mich nicht aber vor allem für die junge Frau nicht, die seit Jahren zutreffend sagt, daß ihr die Behandlung mit Neuroleptika nicht weiter hilft und auch die Aufnahme in eine WG für Psychotiker abgelehnt hat. Sie hat Recht, es ist nicht das Richtige für sie. Nur alle "Verantwortlichen" und "Fachleute" sehen's anders und kreiden ihr das als negativ und psychotisch an. Nichts für ungut. Nur: Was soll man da tun?


Mit freundlichen Grüßen

Birgit

Tilman
21.08.2002, 13:38
Dr Kraft schrieb:

>>Der Bereich, der uns interessiert ist das sogenannte Zingulum. Diese Region ist vermutlich ganz wichtig bei Treffen von Entscheidungen und der Durchführung komplizierter Bewegungen, andererseits scheint sie ganz massgeblich an unserer Gefühlswahrnehmung beteiligt zu sein.

[...]In Ulm wird eine Studie [...]durchgeführt, bei der die Orte im Gehirn (kortikale Repräsentation) und mögliche Seitenunterschiede (Asymmetrien) zwischen Links- und Rechtshändern gefunden werden sollen, die für Bewegungen verantwortlich sind. Außerdem möchten wir herausfinden, wie sich diese Hirnregionen auf unterschiedliche Anforderungen des Zusammenspiels beider Hände verhalten. Dazu werden Handbewegungen, die unterschiedlich unsere Fähigkeit der bimanuellen Koordination beanspruchen, miteinander verglichen.<<


Einer der Punkte, die auch Birgit anführt, ist meiner Meinung nach ausgesprochen wichtig: Da eine LH Umschulung per wissenschaftlicher Definition einen faktischen Eingriff in das Gehirn darstellt, kann man nicht von einer homogenen Gruppe sprechen, wenn man "Linkshänder" untersuchen will. Zuerst wäre zu untersuchen, in wieweit Umschulung/Rückschulung bei den jeweiligen Personen Folgen gehabt haben, die die Messung beeinflussen. Das kann sich als notwendig erweisen, da genau die von Ihnen untersuchten Bereiche [Zingulum, Bereiche, die für Bewegungen zuständig sind etc.]mutmasslich von der Belastung der Umschulung am meisten betroffen sind.

Falls eine Vorbetrachtung dieser Aspekte den Rahmen Ihrer Untersuchungen sprengen würde, wäre demnach _unbedingt_ darauf zu achten, dass die untersuchten Linkshänder _niemals_ umgeschult wurden.

Tilman

Simon
30.08.2002, 19:53
Liebe Birgit,


ich bin selbst ein echter Linkshänder und angehender Wissenschaftler dazu.

Die Fragen, die Du stellst sind meiner Meinung nach teils berechtigt, teils aber übertrieben aggressiv.


>2. Sind die Durchführenden der Studie selbst Linkshänder? Ich würde mich prinzipiell nur Linkshändern und zwar nicht umgeschulten oder wieder vollständig zurückgeschulten anvertrauen.


Warum das ? Wer sich wissenschaftlich mit der Frage der Händigkeit auseinadersetzt geht dabei vorurteilslos an die Sache ran. Die Logik die hinter dieser Frage steht ist vergleichbar mit der, dass sich jemand mit einem Sehfehler nur einem Augenarzt anvertraut der Brillenträger ist.


>3. Warum wollen sie für die Studie ausgerechnet Linkshänder? Tun's denn die Gehirne von Rechtshändern nicht genauso? Wir sollen doch eine Minderheit sein und dann wäre die Studie nicht repräsentativ, wenn zu viele von uns in der Versuchsgruppe wären.


Wenn man Unterschiede im Gehirn bezüglich der Händigkeit untersucht, muß man die Daten der Linkshänder mit denen der Rechtshänder vergleichen. Ebenso muß man drauf achten dass die Gruppen bezüglich Geschlecht, Alter etc. relativ ausgeglichen sind. Da nun mal nur jeder 10. Linkshänder ist, sind Linkshänder einfach schwerer zu finden.


>4. Unsere LH-Gehirne sind von der Umschulung in der Regel außersordentlich belastet worden. Das kann zu Fehlern in der Studie führen. Wie wollen Sie das im Ergebnis berücksichtigen?


Sicherlich wird Herr Kraft in seiner Studie zwischen rückgeschulten und nicht-rückgeschulten LH unterscheiden.


>5. Ich kenne die Organisation meines Gehirnes recht gut. Ich weiß auch, was angerichtet wurde, als ich umgeschult wurde. Das war beobachtbar, hat aber keinen interessiert. Ich schätze mein Gehirn sehr hoch ein und halte es für ein schützenswertes Wunderwerk der Natur. Damit weiß ich alles, was ich wissen muß.


Instrospektion ist Nichts. Objektivität ist alles.

Welche Folgen die Umschulung haben kann ist bekannt. Ich weiß das selbst von meiner Mutter (deshalb wurde ich auch nicht umgeschult), aber daran trägt Herr Kraft sicherlich keine Schuld.


>Ist es an sich nicht so, daß die Durchführenden der Studie aus den Testergebnissen der Teilnehmer für sich lernen und sie für ihr eigenes berufliches Fortkommen verwenden wollen? Wenn dem so ist, und dem ist so, dann fände ich es nur fair von Ihnen, das hier auch offen zu schreiben.


Dein Bild von Wissenschaftlern ist wirklich miserabel. Ergebnisse der Wissenschaft sollen allen zugänglich sein und dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Du solltest Dich freuen, dass sich jemand professionell mit dem Thema auseinandersetzt und Ergebnisse zu Tage bringt, die vielleicht irgendwann mal allen Linkshändern helfen werden.





Im Übrigen kenne ich weder Herrn Kraft, noch die erwähnten Studien. Alle Aussagen treffe ich als Wissenschaftler, unabhängig der Disziplin.

Für die nicht geschlechtsneutrale Schreibweise entschuldige ich mich. Alle "Linkshänder" schließen selbstverständlich auch alle LinkshanderINNEN mit ein.


Gruß,

Simon