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Vollständige Version anzeigen : Schwache Hand trainieren?


noir
08.01.2009, 21:54
Hallo zusammen.

Ich habe hier wahrscheinlich eine recht ungewöhnliche Frage...

Ich Spiele Billard im Verein, genauer gesagt; Snooker.
Das ist eine Billardvariante, die noch ein höheres Maß an Präzision und Konzentration fordert, als das normal Billard, was so allgemein bekannt ist.

Erstmal vorweg: ich bin kein umgeschulter Linkshänder oder ähnliches, zumindest glaube ich dies nicht. Ich bin 17 Jahre alt, und schreibe, esse usw seit ich denken kann mit rechts. Ggf haben meine Eltern dies mir so vor gemacht und mich dahingehend beeinflusst, aber richtig gezwungen dies alles mit rechts zu machen hat mich keiner.

Der Punkt ist nun, dass ich irgendwann, in einer tiefen Konzentrationsphase beim Snooker, angefangen habe, Bälle, die andere nicht erreichen, und die mit rechts außerhalb meiner Reichweite liegen, mit Links zu spielen... Einfach so.

Habe das vorher nicht bewusst trainiert, aber es ging einfach.

Seit dem ich das dann mal eine Zeit lang trainiert habe, gibt es Tage, an denen ich den Einsatz der linken Hand nicht mal merke. Ist zu Vergleich für euch so, als würdet ihr in mitten des Briefschreibens aufeinmal anfangen mit Links zu schreiben ohne es zu merken.

Ich spiele zwar mit der Linken Hand nicht gleich gut, aber man kann mittlerweile keinen Unterschied mehr erkennen. Viele bemerken es eben nicht mal. (Jemand der mit beiden Händen gleichgut spielt ist in diesem Sport extrem selten, daher würde jemand, dem es auffällt, direkt was sagen...).

Der Punkt ist nun, dass es mich wundert, dass es für mich selbst quasi schon "gewohnheit" ist, manchmal einfach auf links zu wechseln, obwohl einem das ja Probleme bereiten sollte.

Ich schreibe auch mit Links recht gut, zwar schlechter als mit rechts, aber gut.

So nun meine Frage:
Wäre es falsch eine art "Beidhändigkeit" zu trainieren?
Ich bin irgendwie interessiert daran, meine Linke Hand auf ähnliches Niveau zu bekommen, nicht nur beim Snooker sondern auch im Schreiben z.B.

Gibt es eine Art Begabung zur Beidhändigkeit?
Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht, wie ich?
Gibt es spezielle Wege, die schwache Hand zu trainieren?

Würde mich freuen, Rat von euch zu erhalten...

lG
noIR

Charlott
09.01.2009, 14:42
Hallo noIR,

solange Du das Training Deiner nichtdominanten Hand auf Situationen begrenzt, wo die Ballsituation anders herum nicht lösbar ist, brauchst Du wahrscheinlich keine Umschulungsfolgen zu befürchten. Wichtig ist, dass Du nie vergisst, welche Deine dominante Hand und damit Deine Führungshand ist. Das Training der nichtdominanten Hand sollte also nicht übertrieben werden.

Stell Dir vielleicht einen Schlagzeuger vor. Er hantiert auch mit beiden Händen. Der Schwerpunkt, die Führung liegt jedoch auf der Seite, wo er seine Dominanz hat. Beim Linkshänder, sofern er sich händigkeitsgerecht bewegt, auf der linken Seite, beim Rechtshänder auf der rechten Seite.

Mit Qigongkugeln und ähnlichen Übungen kann man zum Beispiel seine Hände gut trainieren. Hier mehr dazu. (http://www.linkshaenderforum.org/forum/showthread.php?t=13219)

Es gibt keine Begabung zur Beidhändigkeit. Die meisten Menschen, die sich für Beidhänder halten, sind umgeschulte Linkshänder. Sie wurden - oder haben sich selbst - mehr oder weniger auf den Gebrauch der nichtdominanten rechten Hand umgeschult und benutzen für andere Handlungen ihre dominante linke Hand. Oft wechseln sie beim Handgebrauch auch gern.

Von Schreibübungen mit der nichtdominanten Hand ist dringend abzuraten. Die komplexen Vorgänge beim Schreiben bewirken, dass man massiv in das Gehirn eingreift, wenn man die Schreibhand wechselt. Schwerwiegende und auch "leichtere" Umschulungsfolgen, wie Du sie hier im Forum beschrieben findest, sind die Folge des Schreibens mit der nichtdominanten Hand. Ein ständiges Wechseln der Schreibhand ist noch gefährlicher.

Liebe Grüße und weiter viel Freude und Erfolg mit Snooker
Charlott

Helmut
17.01.2009, 23:17
ad noir

für mich ist die Frage nicht ungewöhnlich, ich verwende im Alltag beide Hände, Schreiben
aus Gründen des Nichtverwischens der Füllfederschrift rechts, links eher nicht so flott weil
nicht so trainiert.

Ich sehe das eher als Einübungsangelegenheit. Ähnlich auch die Thematik, in welcher Sprache
denke ich ? In der von mir hauptsächlich angewandten Fremdsprache erfolgt das Denken in
dieser Sprache, bei der eher weniger gut beherrschten werden die grundlegenden Gedanken
in der Muttersprache gefasst. Das Umschalten in die andere Sprache erfolgt kürzestfristig.
Im Zuge eines längeren Aufenthaltes habe ich auch mit deutschsprachigen nahezu nie Deutsch
gesprochen.

Aus meiner Sicht, Probleme ergeben sich erst bei ausschließlicher Fixierung auf eine Hand,
für mich ist es mehr eine Geläufigkeitssache, kann selbst keine Probleme erkennen. Allerdings
kann ich mir auch vorstellen, dass es Probleme macht, wenn man sich in kurzer Zeit auf eine
Beidhändigkeit bzw. gar auf die andere Hand umstellen möchte. Wenn man die Geschicklich-
keit der anderen Hand zur Vervollständigung der Fähigkeiten trainiert sehe ich keine Nachteile.
Wird wohl auch eine Sache sein, wie das implementiert wird.

Mein Interesse daran liegt in dem Bereich der Familie. Meine Mutter war (eher) Linkshänderin,
konnte auch mit beiden Händen schreiben, Vater Rechtshänder. Als Kind habe ich mit beiden
Händen gezeichnet, war beim Buntstiftzeichnen ein Vorteil beim Herstellen von Mischfarben.
Ich wurde übrigens nie zu irgendeiner Händigkeit genötigt. Das Wiederaufgreifen der ver-
stärkten Verwendung der passiveren Seite erfolgte ab ca. 30.

Ich würde das Training der nicht dominanten Hand allerdings nicht forcieren und Tätigkeiten
mit der anderen Hand nur bei bewegungsmäßigen Vorteil mit dieser ausführen. Z.B. Holzleiste
am rechten Ende mit der rechten Hand absägen, links mit der linken Hand etc., also den be-
wegungsmäßigen einfacheren Ablauf wählen. Schließlich sind wir mit zwei Händen geboren
worden und davon auch ausgewogen Gebrauch zu machen halte ich für sinnvoll. Wie weit das
geht ist individuelle Sache. Strikte Dogmatik ob oder ob nicht lehne ich ab, ist Sache der
eigenen Befindlichkeit.

H.W.

noIR
19.01.2009, 15:03
Vielen Dank euch beiden für eure Erfahrungsschilderungen und Ratschläge!

Leider stehen eure Meinungen in starkem Kontrasst zueinander.
Ist es wirklich "bewiesen", dass das Trainieren der schwachen Hand "hirnschädigend" sein kann, oder andere Nachteile hat?

Weil, auch wenn ich die Linke hand nur in Situationen einsetzen muss/will, wo ich mit rechts nicht dran komme, muss ich trotzdem die linke Hand trainieren, um auf ein niveau zu kommen (bzw mindestens genauso gut oder besser zu sein, wie mit dem Hilfsqueue) das es mir erlaubt, selbige einzusetzen, ohne sich zu blamieren.

Der Punkt ist, Snooker oder allgemein Billardspieler, die mit beiden Händen spielen / spielen können, gelten aufgrund ihrere Seltenheit für arrogant.

Da ich mich mit Links aber sehr sicher fühle (an manchen Tagen sogar sicherer als mit der rechten), und ich den Einsatz des Hilfsqueues (Eine Art Stange, die man auf den Tisch legt, falls man mit dem "Brückenarm" [das ist der arm, der dem queue als "Schiene" dient] nicht mehr herran kommt) vermeiden möchte, da es mir nicht liegt, setze ich in solchen Situationen die linke ein. Nur ein verschossener Ball mit Links würde dann nur noch mehr von arroganz zeugen; "ich schlag dich auch mit Links, auch wenn ich damit nichts treffe".

Ich hoffe, ihr wisst, wie das gemeint ist.

Aus diesem Grunde muss ich wie schon gesagt die Linke auf ein "annehmbares" Niveau bringen.

Auf welche Probleme kann ich dabei stoßen?
Gibt es da bedenklichkeiten?

lG

Charlott
20.01.2009, 21:52
Hallo noIR,

:) ich schaue gerade auf diesen Satz von Helmut:

Zitat von Helmut:

"Ich würde das Training der nicht dominanten Hand allerdings nicht forcieren"

So weit liegen wir in einigen Punkten gar nicht auseinander.

Ganz wichtig ist: keine Experimente mit der Schreibhand.
Schreiben stets mit der dominanten Hand und die Schreibhand nicht wechseln.

Vielleicht hilft Dir dieser Artikel von Frau Dr. Sattler ein bisschen weiter:

http://www.lefthandcorner.wtal.de/artikel/infos/rueckschulung.html

Der Artikel feiert zwar bald seinen zehnten Geburtstag, ist aber nach wie vor zutreffend und aktuell.

Schau Dir auch die drei Fallbeipiele unten an, die Frau Dr. Sattler anführt.

Ihre Forschungen und Beobachtungen haben Frau Dr. Sattler zu dieser Umschulungsdefinition gebracht
(die Definition steht auch in dem Artikel, unter "Schlussfolgerungen" - die Hervorhebung durch den Fettdruck ist von mir):

Zitat von Frau Dr. Sattler:

"Umschulungsfolgen der Händigkeit sind also nicht nur beim Schreiben mit der nicht dominanten Hand zu erwarten, sondern auch bei anderen Tätigkeiten, die vor allem unter Stress, Leistungsdruck und mit feinmotorischen Anforderungen auf einem hohen Niveau durchgeführt werden müssen. Wenn es dann noch zum gleichzeitigen Verarbeiten von Schriftzeichen oder auch Noten kommt, die ja auch oft noch mit Text verbunden sind, wird die Wahrscheinlichkeit einer Überbelastung des Gehirns und die Gefahr von Umschulungsfolgen umso größer."

Nun wirst Du wahrscheinlich von uns wissen wollen, wie das denn mit Snooker genau ist.

Wenn Du Dich aus einem Fenster lehnen würdest und uns um eine Formel bitten würdest, nach der man ermitteln kann, wie weit Du Dich hinauslehnen darfst, ohne in den Garten zu purzeln, könnte Dir das bestimmt jemand mit einigem Aufwand ausrechnen.

Bei Deiner Frage zum Billardspiel jedoch bist Du wahrscheinlich allein auf Dein Körpergefühl angewiesen, auf diesen berühmten aufmerksamen Kontakt: "Was macht es mit mir?"

Vielleicht meldet sich auch noch jemand, der Dir direkt etwas über seine Billard-Erfahrungen schreiben kann, dass Du daraus etwas für Dich ableiten kannst.

Nachdem ich Dir geantwortet hatte, habe ich noch einmal darüber nachgedacht, wie das damals bei mir war, als ich ab und zu Billard spielte. Meine Verwandten haben es mir inzwischen auch bestätigt: Ich hatte den Queue immer in der linken Hand und habe nie gewechselt. Auch heute fühlt es sich für mich vollkommen merkwürdig an, wenn ich mir vorstelle, den Queue mit der rechten Hand zu führen. Billardtuch und Mitspieler wären dabei wahrscheinlich in ernsthafter Gefahr.

Dadurch gelingt es mir nicht, mich hineinfühlen, wie es für Dich ist, dass Du Dich auch mit links sehr sicher fühlst.
Es kommt nur noch ein Gedanke bei mir: Wenn Dir das auch bei anderen Tätigkeiten passiert, dass Du Dich mit der linken Hand ab und zu sicherer als mit der rechten Hand fühlst, könnte es ratsam sein, sich einmal in die Händigkeit hineinzudenken, ob Deine Handdominanz wirklich auf der rechten Seite liegt. Es ist nicht so häufig, dass ein Rechtshänder das Bedürfnis hat, Schreibübungen mit der linken Hand zu machen.

Danke für Deine Beobachtungen zum Thema beidhändiges Hantieren und Arroganz. Da ist etwas dran, nicht nur bei Snooker-Spielern. Dieser Mythos ist merkwürdig. Dir drücke ich aber jetzt fest die Daumen, dass Du nicht in diese Arroganz-Schiene einsortiert wirst, falls Du Dich entschließt, im Snookersport weiter mit beiden Seiten zu agieren.

Liebe Grüße von Charlott

Charlott
21.01.2009, 07:42
Hallo noIR,

gerade fiel mir auf:
die Beschreibung zu dem Artikel, den ich oben zitiert hatte, sollte ich noch einmal konkretisieren. Es ist besser, wenn ich ihn so beschreibe:


Korrektur zu meinem Text oben:

Der Artikel feiert zwar bald seinen zehnten Geburtstag, ist aber zu Deiner Frage nach wie vor zutreffend und aktuell.

Die Erkenntnisse zur Rückschulung selbst, die für Deine Frage weniger relevant sind, haben in den zehn Jahren einen enormen Sprung nach vorn gemacht.
Diese Passagen lassen sich auf heute nicht mehr direkt übertragen.

Liebe Grüße von Charlott

Marina
21.01.2009, 12:03
Hallo charlott,
gut, dass du deine Einschätzung über den Artikel von Frau Sattler in punkto
Rückschulung differenziert bzw. korrigiert hast.
Die Angstmache vor diesem Prozess damals in dem sonst so guten und interessanten Artikel empfinde ich als erschreckend.
Ich glaube, dass immer noch sehr viel Angst vor der Rückschulung geschürt wird, aber heutzutage gibt es schon sehr viel mehr Beispiele von gelungenen Rückschulungen, die dagegen sprechen, dass wir es hier mit größtmöglichen Gefahren für Psyche und Gehirn zu tun haben.
Liebe Grüsse von Marina

Charlott
23.01.2009, 18:01
@ Marina

Hallo Marina,

ja - ich war beim Schreiben voll darauf konzentriert, ob ich mir die Beispiele dieses Artikels richtig gemerkt hatte. Ob sie für die Frage, wann das Training der "schwachen Hand" zu viel sein kann, anschaulich genug sind und wirklich ein Gefühl dafür geben können, wo beim Training der nichtdominanten Hand die Grenzen sind.

Da hab ich dann auf nichts anderes mehr geachtet. Erst am nächsten Morgen fiel mir es auf.
:) Ich bin froh, dass ich es noch gemerkt habe. Hätte merkwürdig ausgesehen, wie es so dastand.


@ noIR

Hallo noIR,

vielleicht kann dieses Video des linkshändigen Qigongkugelspielers Dir zusätzlich ein Gefühl für diese Balance zwischen
dominanter und nichtdominanter Hand beim Training der "schwachen Hand" und beim beidhändigen Training geben:

http://de.youtube.com/watch?v=5Oc53jn6nQ8

Ich habe zu dem Thema enorm dazugelernt, als ich das anschauliche Video zum zweiten Mal ansah.
(Beim ersten Anschauen habe ich einfach nur genossen und gestaunt.;))

Liebe Grüße an Euch beide von Charlott