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Vollständige Version anzeigen : malen und schreiben verschieden!


Holger
27.03.2003, 22:57
hallo,


kennt ihr jemanden, der rechts schreibt und

links malt?

bitte schreibt eure erfahrungen!


gruß holger

Antje
28.03.2003, 09:53
Hallo Holger!

Ich (25) schreibe rechts und male links. Ich wurde in der ersten Klasse darauf gedrillt, mit der rechten Hand zu schreiben, alle anderen Tätigkeiten, auch das Zeichnen, mache ich aber weiterhin mit links.

Jetzt bin ich aber ernsthaft beim Überlegen, ob ich es wage, mich zurückzuschulen, in der Hoffnung, das meine Schäden, die ich duch die Umschulung davongetragen habe, verschwinden, oder zumindest weniger werden.


Antje

MatthiasW
28.03.2003, 19:27
Hallo Holger und Antje,


bitte keine Selbstversuche.

Nehmt Kontakt zu einem Linkshänder-Berater auf und besprecht mit ihr/ihm die Vorgehensweise.

Vielleicht wird ja in eurer Nähe von einer/m LH-Berater/in ein Schreibvorbereitungskurs angeboten.

In Münster (Westf.) bitte ich einen solchen Kurs mit monatlichen Treffen an.


Liebe Grüße
Matthias

Antje
28.03.2003, 21:01
Lieber Matthias!

Selbstversuche mache ich sicher nicht, nur ist es gar nicht so einfach, in meiner Nähe eine Beratungsstelle zu finden. Ich lebe in Westösterreich und bisher ist anscheinend nur in Graz Hilfe vorhanden. Für mich ist das leider zuweit weg. Aber ich habe eine deutsche Linkshänderberatungsstelle angeschrieben und angefragt, ob sie mir irgendwie weiterhelfen können.

Vielleicht aber kannst Du mir ebenfalls Hilfestellungen geben oder kennst rein zufällig jemanden in meiner Nähe? Mir liegt sehr viel daran, wieder alles rückgängig zumachen, auch wenn ich mir bewußt bin, das schon bestehende Schäden nicht ganz verschwinden werden.


Antje

MatthiasW
29.03.2003, 09:04
Hallo Antje,


ich werde etwas zusammenstellen und dir per Email zusenden.


Such mal hier im Forum zu "Schraffieren, Schwungübungen, Schreibvorbereitung, Erwachsenenschrift, Buchstabenverbindungen"


Liebe Grüße
Matthias

Antje
29.03.2003, 12:45
Hallo Matthias!

Danke und ich werde mal schauen, ob ich was finde.


Dir ein schönes Wochenende.

Antje

Holger
02.04.2003, 15:06
Hallo Antje,


kannst Du mir vielleicht beschreiben, wie sich deine "Schäden" äußern?


Gruß Holger

Mondgöttin
02.04.2003, 15:23
Mhm...so ganz kann ich nicht wirklich mit Erfahrungen dienen, aber ich hatte vor kurzem ein "Erlebnis" in dieser Richtung:


Normalerweise schreibe und zeichne ich mit links. Seit kurzem betreibe ich Seidenmalerei und das besondere an der Seidenmalerei ist, dass man bei größeren arbeiten "freihändig" arbeiten muss, das heißt, man kann (in der Regel) den Arm nirgendwo abstützen. Bei kleineren Flächen habe ich da weniger ein Problem. Als es aber neulich darum ging, eine größere Fläche einzufärben (man muss da relativ schnell sein beim Arbeiten), tat mir nach kurzer Zeit der linke Arm weh. Ich habe dann den Pinsel nach rechts gewechselt und mit rechts weitergemalt. Ging prima und vor allem ohne Schmerzen. So lange ich keine Details zeichnen muss, kann ich wunderbar mit rechts zeichnen.


Neulich habe ich auch mal versucht, eine Kuh zu zeichnen. Generell bin ich zeichnerisch unbegabt, meine Tiere, die ich zeichne, sehen immer aus wie eine Tonne mit Streichholzbeinen und einem Kugelkopf. Wenn ich mit links zeichne. Nun, die mit rechts gezeichnete Kuh sah genauso schei..e aus, es ist also nicht so, dass meine rechte Hand "zeichnerisch begabt" wäre, aber ich konnte von der Qualität her keinen Unterschied zwischen der mit links und der mit rechts gezeichneten Kuh feststellen. So gesehen eine interessante Erfahrung.


Kirstin

Tilman
02.04.2003, 15:48
Gegenständliches Zeichnen ist vorrangig eine Sache der Vorstellung, und deren Umsetzung, und weniger [ich sage nicht: "gar nicht"!] der mechanischen Beherrschung der Zeichenhand. Also die Tonnentiere mit den Streichholzbeinen sind ein Resultat Deiner persönlichen Art der Vorstellung-Umsetzung; wenn die Streichhölzer mit einer Hand dann aber kritzeliger werden als mit der anderen, das ist ein Resultat dessen, was ich 'mechanische Beherrschung' nenne; die ist bei dominanter und nicht-dominanter hand unterschiedlich. Die Begabung sitzt im Kopf, nicht in der Hand.

Tilman

Mondgöttin
02.04.2003, 15:52
Gegenständliches Zeichnen ist vorrangig eine Sache der Vorstellung, und deren Umsetzung, und weniger [ich sage nicht: "gar nicht"!] der mechanischen Beherrschung der Zeichenhand. Also die Tonnentiere mit den Streichholzbeinen sind ein Resultat Deiner persönlichen Art der Vorstellung-Umsetzung; wenn die Streichhölzer mit einer Hand dann aber kritzeliger werden als mit der anderen, das ist ein Resultat dessen, was ich 'mechanische Beherrschung' nenne; die ist bei dominanter und nicht-dominanter hand unterschiedlich. Die Begabung sitzt im Kopf, nicht in der Hand.


Mhm. Vorstellen kann ich mir das schon prima, aber sobald ich was zeichne, entspricht es absolut nicht mehr meinen Vorstellungen Insofern bin ich eben generell zeichnerisch unbegabt. Was mir aber eben aufgefallen war, ist die Tatsache, dass die "mechanische Beherrschung" bei beiden Händen gleich war, dass eben das mit der rechten Hand gezeichnete Tier nicht krakeliger war, als das mit der linken Hand gezeichnete Tier.


Gruß, Kirstin

Olli
02.04.2003, 22:55
Hallo Zusammen!


Das Zeichnen bzw. Malen hat extrem viel mit Licht und Schatten zu tun und ist im Prinzip - wenn man ihn richtig beherscht - ein rein Technischer Vorgang (wie sehen Nase, Augen, Ohren usw. usf. aus - im Spiegel oder auf Fotos betrachten und abzeichnen) der sehr, sehr viel mit Übung (wie auch das Musisieren) zu tun hat.


Mein Vorschlag, um das zeichnen von Dreidimensionalen Gegenständen zu üben, ist Fotos (am besten Schwarz-Weiss-Fotos) - z.B. von einer Kuh - abzuzeichnen. WICHTIG! ist hierbei, dass man das Foto auf dem Kopf legt und dann die Schatten abzeichnet und dunkel schraffiert. Ihr werdet erstaunt sein, welch gute Ergebnisse zum Vorschein kommen.


Olli

Birgit
03.04.2003, 06:46
Hallo Tilman


Was Du da ( s. u. ) geschrieben hast, fand ich sehr interessant.


Wenn ich an meinen Steinen herum arbeite, habe ich lange Zeit gar keine Vorstellung. Entsprechend unkoordiniert bastele ich daran herum. Irgendwann kommt dann ein Punkt, an dem scheinbar meine Vorstellung und Handlung mit den Möglichkeiten, die im Stein liegen, deckungsgleich werden. Ich bin dann immer ganz erstaunt, daß am Ende tatsächlich durch meine Arbeit mit meinen Händen ( = Motorik ) das herauskommt, was ich als möglich erahne bzw. mir vorstelle.


Kannst du uns noch ein wenig mehr darüber erzählen? Bzw. wo kann man darüber ein wenig nachschmökern?

Danke.


Gruß

Birgit

Antje
03.04.2003, 17:39
Hallo Holger!

Gerne berichte ich Dir, wie sich bei mir die Umschulungsfolgen bemerkbar machen.

Ich schreibe diesen Brief zusammen mit meinen Mann, den er kennt michs chon seit Jahren und er weiß auch am ehesten, wo meine "Schäden" sind.


Also, ich fange am besten am Anfang an:

Ich wurde in der ersten Klasse auf rechts umgeschult.Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, das dies unter enormen Druck stattfand. Ständig einen Schlag auf die linke Hand bekommen, sobald der Stift wieder in diese genommen wurde, ich weiß auch noch, das man mir sogar mal die Hand auf den Rücken festgebunden hat. Nach dem allgemeinen Unterricht mußte ich oft noch dableiben und Schönschrift mit der Rechten üben.

Alle anderen Tätigkeiten, auch das Malen, habe ich aber weiterhin mit der Linken ausführen dürfen, da hatten meine Eltern ein "Machtwort" gesprochen. Nur leider galt das nicht fürs Schreiben, da waren die Lehrer diejenigen, die das Sagen hatten.


In der Schule hatte ich große Schwierigkeiten wenn es um's Lernen ging: am Nachmittag und Abend gelernt, gelernt, gelernt, aber am nächsten Tag im Unterricht war alles wieder weg (dieses Phänomen hat die Abschlußnote meines Krankenpflegeexamens versaut).

Schwierig war es auch, wenn ich etwas vorgelesen habe und hinterher nicht mehr wußte, worum es in dem Text überhaupt ging. Das hat viele meiner Lehrer zur Verzweiflung gebracht. Ich kann mich noch daran erinnern, das meine Eltern mal erwägten, mich in die Sonderschule zu schicken.

Wenn ich nach Hause kam und das ist auch jetzt noch so, bin ich immer müde gewesen, aber leider sollten da ja die Hausaufgaben gemacht werden.

die Konzentration ist bei mir auch nicht die Beste. Mir graut immer vor Fort- und Weiterbildungen, denn nach etwa 30 Minuten ist Schluß bei mir. Da geht dann nichts mehr. Und am Abend plagen mich ständig Kopfschmerzen.


Dann das Nächste, das für mich Interessanteste: Die Rechts-Links-Schwäche. Wegen dem bin ich bei der ersten Führerscheinprüfung durchgeflogen. Der Prüfer sagte links und ich bin rechts gefahren. Wieso das passiert ist, hat ihn nicht interessiert(Beim zweiten Mal hat alles geklappt (-: ).

Sehr spannend wird es auch, wenn ich die Beifahrerin von meinem Mann bin. Aber mein Herzallerliebster kennt dieses Laster und meint, ich solle nichts sagen, sondern nur Richtungen anzeigen, da kann kaum was schiefgehen.

Was ich auch recht gut kann, beim Reden Wörter verdrehen, für andere ist das immer ein Lacher, aber ich empfinde das doch als sehr unangenehm (dise ist im Laufe der Jahre immer besser geworden).


Laut meinem Mann (ich kann das schlecht selbst einschätzen), halte ich mich für schlecht und dumm. Habe das Gefühl, das ich nichts richtig kann.

In vielen Dingen, die ich machen will, fühle ich mich unsicher, besonders auf der Arbeit(Bsp. kleine operative Eingriffe, die auf der Station gemacht werden und Routine sind- da fühle ich mich immer unsicher. Es ist nicht so, das ich das nicht kann, es ist einfach immer wieder auf's Neue Angst und Unsicherheit da).


Und das Letzte, was mein Mann für am Schlimmsten hält, ist die Sache, das ich sehr oft eigenbrödlerisch bin. Manchmal kommt es vor, das ich bis zu einer Woche niemanden an mich heranlasse und einfach nur meine Ruhe haben will. Auf der Arbeit ist es dann so, das ich meine Sachen mache, meine Kollegen über das Wichtigste informiere, aber mich nicht auf "Pausengespräche" einlasse. Den Patienten gegenüber verhalte ich mich aber so, als wenn nur Sonnenschein herrschen würde. Das habe ich in den letzten Jahren gut gelernt, das mir ein Fremder meine Probleme nicht ansehen kann.


Wie Du liest, man hat es nicht einfach mit mir.


Ob all dies nun mit meiner Umschulung zusammenhängt, kann ich nicht genau sagen, aber nachdem ich viel Literatur verschlungen habe (auch mein Mann), bin ich mir recht sicher, daß das alles irgendwie doch schon zusammenhängt.


Eines ist meinem Gatten noch eingefallen, was dazu passt: ich habe einen enormen Kontrollzwang, besonders, ob der Herd ausgeschaltet ist, ob die Haustür abgeschlossen und zur Nacht die Rolläden runter sind.


So, ich hoffe, ich habe Dir alles erklärt.

Wenn Du noch weitere Fragen hast, scheue Dich nicht, sie zu stellen. Ich schreibe Dir gerne zurück, denn es ist schön zu wissen, das es Leute gibt, die sich dafür interessieren.


Mit lieben Grüßen

Antje aus Österreich

Antje
03.04.2003, 21:13
bei mir ist es so, das ich ausschließig mit der linken hand male. wenn ich es denn doch mal mit der rechten versuchen sollte, aus welchen gründen auch immer, dann fängt meine hand enorm an zu zittern, es wird alles ungleichmäßig, schief und krumm und ich werde innerlich ganz unruhig, als ob mir jemand sagt: da stimmt was nicht. und dann muß ich leider ganz aufhören und mich erst wieder beruhigen, bevor ich weitermachen kann.

was anderes ist es aber, wenn ich mit bleistift und lineal was mache (unterstreichen oder eine geometrische figur zeichnen), das geht wiederrum nur mit rechts, ist ja irgendwie so wie das schreiben.

irgendwie ist es für mich recht unverständlich, aber es ist so und wenn ich es weiß, komme ich auch sehr gut damit zurecht.

Holger
14.04.2003, 10:30
Hallo Antje,


ich habe Deinen Brief aufmerksam gelesen und fand ihn sehr interessant.

Nach deinen Schilderungen über die Schulzeit frage ich mich aber ernsthaft, ob die "Schäden" nicht eher von dem
unsensiblen Zwang ausgingen, der Dir zugefügt wurde.
Das war ja schon fast Folter!

Die Verwirrtheit und Konzentrationsschwächen kann ich sehr gut nachvollziehen.

Die haben mich in der Schulzeit auch immer als Spätzünder da stehen lassen, weil ich einfach immer mehr Zeit brauchte, obwohl ich im Gegenzug komplexere Dinge oft ganz gut verstand.

Alles in Allem hat sich bei mir so eine Art Charakterzug entwickelt, der nicht immer schön ist. Verbissenheit!.Ich kann länger und härter an etwas arbeiten, weil ich dies tun mußte um mir und anderen etwas zu beweisen.Vielleicht können die "Einseitigen" eher abschalten!?

Ich sehne mich oft nach dieser Entspannung!!

Aber vielleicht sind die dann auch eher "einseitig" gestrickt!

Könnte doch sein? Oder?


Gruß aus Düren
Holger

MatthiasW
15.04.2003, 20:19
Hallo Holger,


die "Schäden" einer Umschulung entstehen unabhängig von der Art der Umschulung.

Jede Umschulung ist eine Art Vergewaltigung oder unblutige Verletzung des Gehirns.

Jeder empfindet die "Schäden" einer Umschulung anders und geht mit diesen "Schäden" auch anders um.

Somit ist auch eine Rückschulung nicht für jeden unbedingt ratsam.

Ein Wissen, woher die "Schäden" allerdings kommen, kann sehr hilfreich sein. Denn erst durch dieses Wissen versteht frau/man sich und das eigene Können oder nicht Können und kann in Zukunft, in neuen Situationen, anders mit den "Schäden" umgehen.


Liebe Grüße
Matthias

Holger
27.04.2003, 14:29
Diese Antwort finde ich sehr interessant, weil Sie nicht, wie

so oft davon ausgeht, daß alles wieder umgedreht werden soll, sondern daß

man Schäden vielleicht besser versteht.

Danke für diesen Ansatz!


Gruß Holger