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Vollständige Version anzeigen : Linkshänderstaat


Simon
30.08.2002, 19:11
Hallo zusammen,


ich bin selbst nicht-um/-rückgeschulter Linkshänder und etwas erstaunt wie viele Klagen in diesem Forum kommen.

Bei allen Dingen, bei denen ich mehr oder minder freiwillig wählen kann, welche Hand ich benutze, wähle ich natürlich die linke Hand.

Allerdings finde ich es viel zu stressig bespielsweise die Tastenbelegung der Maus zu verändern. Ich arbeite an sehr vielen verschiedenen Computern, die auch von verschiedenen Menschen benutzt werden. Da jedesmal die Tastenbelegung zu ändern würde viel zu viel Zeit kosten.

Ähnlich stets um Dosenöffner. Ich habe selbst keinen Linkshänderdosenöffner, werde mir auch keinen anschaffen. Wenn ich Dosen nur mit der linken Hand öffnen könnte und käme in einen fremden Haushalt würde ich glatt verhungern.

Sicherlich lassen sich noch einige weitere Beispiele finden.


Was ich sagen will. Nutzen wir doch die allein dem Menschen zu Teil gewordene Fähigkeit so unglaublich flexibel zu sein und passen uns ein bisschen an.

Einige Beiträge hier, lassen das Bestreben der Errichtung eines Linkshänderstaates vermuten. In einer Gesellschaft mit verschiedensten Menschen ist zumindest ein bisschen Anpassungsfähigkeit nötig. Wenn jede Minderheit auf IHR Recht pocht ist ein vernünftiges Zusammen leben unmöglich.

MatthiasW
30.08.2002, 21:47
Hallo Simon,


ich finde es erstmal super, das Du nicht umgeschult wurdest.

Deine Aussagen aber über die kleinen und großen Gegenstände die in unserer Umwelt

auf grund von Rationalisierung nur für den Rechtshänder optimiert werden lassen viele

verzweifeln und gegebenenfalls auch ihren Beruf an den Nagel hängen, bevor oder weil

eine falsche Körperhaltung, die nicht ihrer ergonomie entspricht sie durch Krankheit da

u zwingt.


Ich weiß nicht wie alt sie sind und welche Erfahrungen sie im laufe ihres Lebens gesammelt

haben. Ich bin 45 Jahre alt und habe selbst und durch meine Kinder erfahren wie wichtig

handigkeitsneutrale oder gerechte (jeweils für LH oder RH) Altagsgegenstände vom Anspitzer

bis zu Linkshändergeige sind.

Vom ersten Beruf her bin ich Feinmechaniker und habe in meinem Beruf auser der Handsäge

und des Hammers praktisch kein Werkzeug gefunden, das händigkeits neutral ist. Selbst der

Schraubendreher und Schraubenschlüssel sind für den rechtshändigen Gebrauch. Wieso das,

das hängt mit den Schrauben zusammen, die nun mal erst festgedreht werden und wenn

überhaupt vieleicht einmal auch wieder losgedreht werden. Das losdrehen wäre dann eine

Arbeit für Linkshänder.

Ich habe mal sehr spitz formuliert, wir bilden rechts am Linkshänder vorbei unseren Nachwuchs

aus.

Überigens was heißt hier Minderheit nicht 10% sondern fast 50% sollen laut der Studien von Fr.

Dr. Sattler die Welt befölkern.

Kennen Sie die Fachliteratur von Fr. Dr. Sattler? Sehr empfehlens wert.


Liebe Grüße
Matthias

Olli
30.08.2002, 23:46
Hallo Simon,


ich bin auch für ein vernünftiges Maß an Anpassungsfähigkeit, aber noch mehr für Toleranz und gegenseitige Achtung.

Und in diesem Zusammenhang frage ich Dich: Warum ist es eigentlich immer der LH der sich anpassen MUSS?

Versuch doch einmal einen RH dazu zu bewegen, einen ganzen Tag lang LH-Produkte (Schere, Dosenöffner, Anspitzer ...) zu benutzen (das mag ein witziger Party-Gag sein) aber, wenn er dann außerdem auch noch mit links schreiben soll, so wirst Du sehr schnell massiven Wiederstand feststellen können bzw. er wirft schon nach wenigen Minuten das Handtuch. Und nun frag ich Dich: Warum soll ein LH Dinge tun die seiner Natur wiedersprechen, wenn der RH auch nicht tut - sich mit allem, ihm zur Verfügung stehende n Mitteln wiedersetzt und auch garnicht erst versucht den LH zu verstehen, nein ihm sogar seine Rechtshändigkeit aufzwingen will (ansonsten gäbe es ja nicht so viele umgeschulte LH)?


Du siehst also, wir wollen eigentlich keinen Linkshänderstaat, sondern "kämpfen" nur für mehr Aufmerksamkeit und Akseptanz, wollen die Leute zum Nachdenken - und zur Toleranz seinem Mitmenschen gegenüber - bewegen. Denn so leid es mir tut, dies immer wieder feststellen zu müssen, es werden auch heute noch Kinder umgeschult und auch heute noch kursieren die wildesten und ungeheuerlichsten Gerüchte/Aberglauben über LH.


Olli

Birgit
31.08.2002, 00:11
Hallo Simon,

Deine Beiträge fand ich interessant. Bevor ich antworte vorab eines: ich mag hier gelegentlich aggressiv loslegen, meine es aber an sich nicht böse. Ich bin eine sehr gründlich um-und-wieder-rückgeschulte Linkshänderin. Weil ich im Alter von 2 ½ ganz gründlich umgeschult wurde und mit 37 zurückgeschult habe - ganz gründlich und alleine; und weil ich seit einigen Jahren in körperorientierter therapeutischer Zusatzausbildung bin und deshalb jetzt die ganze Angelegenheit noch mal auf der Basis durcharbeite. Und das ist spannend, das kann ich sagen.

Dein Beitrag als ein weiterer nicht-umgeschulter Linkshänder bedeutet für uns ja auch neue Anregungen. Dein anderes posting zu meiner "Knütterei über die wissenschaftliche Studie beantworte ich ein später.


> ich bin selbst nicht-um/-rückgeschulter Linkshänder und etwas erstaunt wie viele Klagen in diesem Forum kommen.<

Es wundert mich nicht, dass Du dich wunderst. Das Umschulen im Kindesalter ist aber eine große Quälerei, die Umgeschulte oft an den Rand ihrer Kräfte bringt. Es hat uns Umgeschulten sehr geschadet. Sowohl physiologisch als auch unserer sensiblen Seele. ( Ich glaube, das ist auch wissenschaftlich belegt ). Der Vorrat an Rücksichtnahme und Flexibilität zu Gunsten von Rechtshändern ist spätestens damit ganz schön ausgeschöpft. Wenn du 150 mal einen Löffelgriff um- und wieder gerade biegst, dann verliert der auch an Flexibilität und Anpassungsbereitschaft. Irgendwann ist halt "der Zappen ab".


> Bei allen Dingen, bei denen ich mehr oder minder freiwillig wählen kann, welche Hand ich benutze, wähle ich natürlich die linke Hand. <

Ja, das ist logisch. Ich biete seit einigen Jahren diesen Erlebnis-Test an, wenn ich Menschen nicht so recht erklären kann, wie das ist mit der Linkshändigkeit und der Umschulung. Ich habe bisher keine/n Rechtshänder/in gefunden, der/die z. B. auf den Versuch eingestiegen wäre, einen Tag ( wohlgemerkt 1 Tag und nicht 34 1/2 Jahre ) alles mit der linken Hand zu machen. Alle schauten bisher verwirrt und haben dann das Thema gewechselt. Kannst du mir erklären warum? Es kann ja auch spannend sein, ein Experiment zu machen. Aber da war freiwillig niemand so flexibel oder anpassungsbereit.


> Allerdings finde ich es viel zu stressig bespielsweise die Tastenbelegung der Maus zu verändern. ....<

Gestern haben Kollegen bei mir am PC was draufgeladen. Die beiden sind an meiner LH-Tasten-Einstellung der Mouse schier verrückt geworden. Meine Sekretärin hätte das Ding am liebsten sonst wo hingepfeffert. Ich habe selten einen Menschen mit so viel unterdrücktem Widerwillen an einen PC gehen sehen, wie sie, die das Ergebnis mit eben dieser Mouse für sich kennt: Totales Durcheinander. Das ist aber nur eine LH-Mouse, die sie nur etwa ½ Stunde benutzt haben - abwechselnd. Beide sind RH. Die ich mag und schätze.

Ich wäre es mir mittlerweile wert, die Tasten umzustellen, wenn ich länger als 5 Minuten an einem fremden PC arbeiten würde. Weil die 2 Minuten Tasten umstellen - und du kriegst es vermutlich noch schneller hin als ich - die machen dann auch nichts mehr aus. Aber ich habe es für mich passend.


>Ähnlich stets um Dosenöffner. ... Sicherlich lassen sich noch einige weitere Beispiele finden.<

Stimmt. Haufenweise.


> Was ich sagen will. Nutzen wir doch die allein dem Menschen zu Teil gewordene Fähigkeit so unglaublich flexibel zu sein und passen uns ein bisschen an. <

Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, den du da ansprichst. Wir LH passen uns in Realität nicht ein bisschen sondern dauernd an. Und das ist ein gravierender Unterschied. Das geht beim Händedruck los, über alle Schrauben und Gewinde, Maschinen, z. B. Medizinischen Geräten ( schau mal wo der Zahnarzt sitzt und wo sein "Werkzeug" liegt ), Arbeitsabläufe ( Ich habe mal mit einer Friseuse gesprochen, die eine LH-Kollegin hatte. Sie erzählte mir, dass sie alle Wickeltechniken auf ihre Händigkeit abhändern ( Ah, Freud lässt grüßen! ) mussten, wenn etwas gemeinsam gemacht wurde. Dauerwellen z. B. ), dann liegt das Besteck RH-gerecht, das Glas steht auch entspechend, Handtücher hängen i.d.R. rechts neben dem Waschbecken, Zeitungen/Bücher/sonstige Druckereiprodukte sind für das Blättern mit der rechten Hand geeignet, will man in die richtige Richtung weiterlesen, die Schneiden der Messer oft nur für rechtshändigen Gebrauch geschliffen, etc. etc.


Die Arbeitsbedingungen in der Computer-Welt kann man sicher nicht alleine als Meßlatte für den Umfang der Anpassung an eine rechtshändergerechte Welt nehmen. Matthias hat handwerkliche Ausbildungen genannt. Es ist für LH eine große Belastung, ständig mit Maschinen und Apparaturen zu arbeiten, die ihrer natürlichen Physiologie zuwiderlaufen. Wir LH sind es so gewöhnt, dass wir es oft nicht mehr wahrnehmen, wo überall wir uns flexibel anpassen. Die sozialen Verhaltensweisen habe ich hier noch gar nicht erwähnt. Das ist ein eigenes und breites Kapitel. Wenn das Hauptgewicht von aller Anpassung und Flexibilität auf der LH-Seite liegt, dann ist es nicht mehr so ganz gerecht in meinen Augen. Was meinst Du?


> Einige Beiträge hier, lassen das Bestreben der Errichtung eines Linkshänderstaates vermuten.<

Weißt Du, einer Linkshänder-Insel wäre ich gelegentlich nicht abgeneigt. Wenigstens zur Erholung ab und zu. Nur, das ist unrealistisch. Aber ich fände es schön, wenn Linkshändigkeit wieder mehr zum Tragen käme. Und zwar was z. B. die Arbeitsausrüstung in den verschiedenen Berufen und das Alltagsleben angeht als auch, was das Sozialverhalten und die Sichtweisen angeht. LH sind schlicht und ergreifend auch andere Persönlichkeiten als RH. Wir erleben die Welt anders und empfinden deshalb auch anders als RH. Die unterschiedliche Hemisphären-Dominanz ist ein kleiner Unterschied mit enormer Wirkung.


> In einer Gesellschaft mit verschiedensten Menschen ist zumindest ein bisschen Anpassungsfähigkeit nötig. Wenn jede Minderheit auf IHR Recht pocht ist ein vernünftiges Zusammen leben unmöglich.<

Ja, da hast du schon recht. Gleichzeitig kann ich Matthias nur beipflichten. Wir mögen vieles sein aber garantiert keine Minderheit. Du und ich und Matthias und all die anderen hier im Forum, wir gehören zur einen Hälfte der Menschheit. Weil LH/RH ein genauso grundlegendes genetisches Merkmal ist wie Weiblich /Männlich. Die Händigkeit wird, soweit ich das ( nach Rücksprache mit einer Biologin ) glaube richtig einschätzen zu können, etwa im gleichen Embryonalstadium ausgebildet wie das Geschlecht. Wenn LH eine Minderheit sind, dann wären Männer auch eine Minderheit. Immerhin sind 52% der Menschheit Frauen und 48% der Menschheit Männer. Wenn die Zahlen noch stimmen. Ich finde das ein gutes Beispiel in Diskussionen. Weil es eben ein absolut guter Vergleich ist. In meinem Studium hatten wir Soziologie. Und damals - vor 20 Jahren! - zählten bereits mehr als 2/3 der Bundesdeutschen Bevölkerung zu den Gruppen, die wir als Minderheiten und Randgruppen zu bezeichnen gelernt haben. Das hat mich damals schon sehr verwundert. Und da waren die LH noch gar nicht mitgezählt. Stell dir das mal vor.


Matthias hat dir Frau Dr. Sattlers Bücher empfohlen. Das sind sehr gute Bücher, weil sie vieles wissenschaftlich belegt aufzeigen, was Linkshändigkeit angeht. Schau mal rein. Du wirst staunen.


So, und jetzt bitte alles anzweifeln und dann Deine Meinung dazu schreiben.

Schönes Wochenende.

Birgit

Tilman
31.08.2002, 10:35
Hi Simon,

da ich auch 'naturbelassener' Linkshänder bin [wie neuerdings mehrere hier im Forum] kann ich Dein Staunen über die Probleme der Um- und/oder Rückgeschulten LH zwar verstehen. Andererseits, wenn man in real life immer im normalen RH Betrieb mitdreht, wo sonst soll man denn klagen, als in einem Forum für Linkshänder. Ich glaube, für viele hat dies hier eine wichtige Reinigungsfunktion, auch wenn's sich manchmal etwas geballt liest.


Zu dem Thema Flexibilität in handwerklichen Arbeiten habe ich [ziemlich viel weiter unten] ähnliches gesagt wie Du [ich halte nichts von der teuren Büchsenöffnerwut], allerdings glaube ich, dass der individuelle Grad gerade dieser Flexibilität enorm unterschiedlich ist; da kann man den Leuten nichts vorschreiben, oder vor-leben.

Und die Information [z.B. die Erfahung von Birgit], dass Rechtshänder diese Flexibilität auch nicht ansatzweise aufbringen, bringt mich schon etwas zum Nachdenken.

Dann denke ich, dass wir den Umgeschulten doch Glauben schenken müssen, wenn sie von ihren Problemen erzählen, da dort durch den Eingriff [in einem entwicklungspsychologisch empfindlichen Alter ausserdem!] die Linkshändigkeit zu einem reellen Problem ausgewachsen ist, das sich in jedem Lebensbereich manifestiert.

Ohne ein wenig Offenheit und Toleranz ist ein vernünftiges Zusammenleben ja auch unmöglich.


Nachsatz zur "Minderheit" Wenn a) bei gewissen Affen die Händigkeit 50/50 verteilt ist und b) bei Menschen das so nicht zu sein scheint, glaube ich, dass man den Linkshändern rein statistisch nicht vorwerfen kann, unflexibel zu sein und zu leichtem Klagen zu tendieren.

Es sei denn, die Linkshändigkeit ist tatsächlich primär erblich, und der Grad der Lh-verfolgung im Mittelalter [als Hexen und weiss-ich-was] ist grösser gewesen als wir bisher annehmen: im Falle dieser Hypothese wären wir, [und die entsprechende Erbanlage] nämlich faktisch dezimiert worden.


Timan

Dr. Noll
31.08.2002, 16:54
>Versuch doch einmal einen RH dazu zu bewegen, einen ganzen Tag lang LH-Produkte (Schere, Dosenöffner, Anspitzer ...) zu benutzen (das mag ein witziger Party-Gag sein) aber, wenn er dann außerdem auch noch mit links schreiben soll, so wirst Du sehr schnell massiven Wiederstand feststellen können bzw. er wirft schon nach wenigen Minuten das Handtuch.


Hallo, zurück aus meinem Jahresurlaub, habe ich die Beiträge des Monats August nun gelesen.

Gerade der Büchsenöffner ist nicht zwingend notwendig; ich habe dennoch einen. Aber mehr, um auf das Thema Umschulung bei Bekannten u.ä. aufmerksam zu machen. Lasse ich kommentarlos diesen Öffner samt Büchse bei einem RH, so wird er lange herumfummeln, einige hielten es für ein Gag-Gerät. Der Kommentar, "ach ja, das ist ein LH-Öffner, einfach alles spiegelverkehrt machen" hat bei noch nicht einem einzigen (!) RH dazu geführt, die Dose auf zu bekommen.

Persönlich halt ich händigkeitsneutrale Geräte für das Nonplusultra, etwas, was bei etwas mehr Verständnis seitens der Industrie sehr wohl möglich wäre (s. z.B. unter www.lefthander-condulting.org den Beitrag zu händigkeitsneutralem Spielzeug).

Aus hygienischen Gründen verwende ich einen Dosenöffner, der den Deckel so abschneidet, dass man ihn wieder aufsetzen kann; der verschmutzt nicht, da er den Doseninhalt nicht berührt. Ich benutze ihn aber aus rein hygienischen Gesichtspunkten...


>Du siehst also, wir wollen eigentlich keinen Linkshänderstaat, sondern "kämpfen" nur für mehr Aufmerksamkeit und Akseptanz, wollen die Leute zum Nachdenken - und zur Toleranz seinem Mitmenschen gegenüber - bewegen. Denn so leid es mir tut, dies immer wieder feststellen zu müssen, es werden auch heute noch Kinder umgeschult und auch heute noch kursieren die wildesten und ungeheuerlichsten Gerüchte/Aberglauben über LH.


Was ichganz wichtig finde, und da hat der Schreiber des Ausgangspostings ja Glück gehabt: keine Umschulungen mehr, egal ob von links nach rechts oder umgedeht. Wers nicht mitgemacht hat, kann nur ahnen, welche tiefen seelischen Verletzungen entstanden sind (allgemein: entstehen konnten).

Ohne diese Erfahrung ist man diesbezüglich nicht in der Lage (Gott sei Dank!), d a s nach zu fühlen.

Nachlesen kann aber genug Beispiele hier im Forum.


Mfg
Dr. Noll

Jürgen
31.08.2002, 22:27
Naja,


die Idee, dass die Welt nicht rechs- sondern linkshändig organisiert wäre,

ist schon sexy. Vielleicht sollte man auch die Umschulung als eine nicht

sichtbare Behinderung anerkennen. Aber daum geht es wirklich nicht.


Es geht meines Erachtens darum, ein wenig Versändnis für die

Folgen einer, sagen wir, Behandlung zu finden, damit sichtbar wird,

was damit angerichtet wird und damit wir Betroffenen merken,

dass wir keine Tölpel oder Dummköpfe sind. Schon alleine das

tut gut und hilft.


Grüße aus Köln,


Jürgen

Simon
01.09.2002, 01:39
Hallo Birgit,


ich habe meine Beiträge natürlich erst mal aus meiner persönlichen Sicht geschrieben.

Mit welchen Schwierigkeiten umgeschulte LH zu kämpfen haben und welche Schäden sie dadurch zum Teil erleiden weiß ich gut genug. Meine Mutter wurde umgeschult und darunter hat sie auch gelitten. Insofern bin ich rigoros für eine händigkeitsneutrale Erziehung und dafür das Kind selbst entscheiden zu lassen welche Hand es für welche Tätigkeit nutzen will.


Natürlich ist diese Welt auf RH ausgerichtet. Ich bin allerdings in genau diese Welt geboren worden, ohne Repressalien bezüglich der Benutzung einer bestimmten Hand erleiden zu müssen.

Mir ist es bisher nie bewußt gewesen, dass Schrauben im Prinzip für RH gemacht sind. In irgndeine Richtung muß man sie ja reindrehen. Genauso wie sich die Uhr in eine bestimmte Richtung drehen muß. Ebenso ist es mit dem Blättern bei Büchern und Zeitschriften. Ich habe nichts anderes kennengelernt, als eine Schrift die von links nach rechts geschrieben und gelesen wird. Deswegen blättere ich auch mit der linken Hand, ohne dass ich mir jemals die Frage gestellt hätte, ob es besser wäre, wenn die Bücher von rechts nach links geschrieben worden wären.

Ich bin (leider) kein Handwerker, deswegen habe ich auch nie die Erfahrungen, was die Werkzeuge und Maschinen angeht gemacht. Allerdings fällt mir da ein, dass mein Bruder (ebenfalls natürlicher LH) gelegentlich von Problemen in seiner Ausbildung als Schreiner erzählt hat.

Ich allerdings hatte immer die freie Wahl bei der Benutzung meiner Hände. Mittlerweile wird mir klar, dass das die Ausnahme zu sein scheint.


Nur: ich drehe Schrauben mit der linken Hand rein, ich benutze RH-Scheren problemlos, ich benutze die RH-Tastenbelegung bei der Maus indem ich mit dem Mittelfinger links und dem Zeigefinger rechts klicke usw.

Das sind alles Dinge, die ich so in dieser Welt vorgefunden habe und die ich nie anders zu benutzen gelernt habe.


Ich bin der festen Überzeugung, dass ich durch mein LH-Dasein keinerlei Schäden davon getragen habe. Klar war das Schreibenlernen erst mal etwas problematisch, aber ich glaube ich habe unterbewußt so gute Alternativstrategien entwickelt, dass ich damit bestens klar komme. Mittlerweile werde ich oft für meine Handschrift bewundert. Da heißt es dann aber nicht: "...und das als Linkshänder" sondern "... und das als Mann" !


Und auch was die Diskriminierung angeht: ich war in meiner Peer-Group (oder Clique, Posse oder wie auch immer das mittlerweile heißt) immer etwas Besonderes. Anscheinend hatte ich auch da Glück.


Ich finde das alles sehr interessant, weil ich nie, wirklich nie schwerwiegende Probleme mit meiner Linkshändigkeit gehabt habe. Mich würde interessieren, ob ich unter den natürlichen Linkshändern auch eine Ausnahme bin oder ob andere ebenso wenige Probleme hatten.


Man muß also wirklich strikt zwischen natürlichen und um-/rückgeschulten LH unterscheiden.

Das soll mal reichen. Ich könnte noch ewig weiter schreiben, aber das später.


Simon

Simon
01.09.2002, 01:49
>Ich glaube, für viele hat dies hier eine wichtige Reinigungsfunktion, auch wenn's sich manchmal etwas geballt liest.


Langsam wird es klarer... (siehe auch Beitrag weiter unten)


>Und die Information [z.B. die Erfahung von Birgit], dass Rechtshänder diese Flexibilität auch nicht ansatzweise aufbringen, bringt mich schon etwas zum Nachdenken.


Klar, RH geraten ja auch nie in die Verlegenheit mal etwas andersherum machen zu müssen. Da erwächst eine Hypothese in mir, dass LH die flexibleren Menschen sind... (-;


>Dann denke ich, dass wir den Umgeschulten doch Glauben schenken müssen, wenn sie von ihren Problemen erzählen, da dort durch den Eingriff [in einem entwicklungspsychologisch empfindlichen Alter ausserdem!] die Linkshändigkeit zu einem reellen Problem ausgewachsen ist, das sich in jedem Lebensbereich manifestiert.


Sehe ich ganz genauso.


>Nachsatz zur "Minderheit" Wenn a) bei gewissen Affen die Händigkeit 50/50 verteilt ist und b) bei Menschen das so nicht zu sein scheint, glaube ich, dass man den Linkshändern rein statistisch nicht vorwerfen kann, unflexibel zu sein und zu leichtem Klagen zu tendieren.

>Es sei denn, die Linkshändigkeit ist tatsächlich primär erblich, und der Grad der Lh-verfolgung im Mittelalter [als Hexen und weiss-ich-was] ist grösser gewesen als wir bisher annehmen: im Falle dieser Hypothese wären wir, [und die entsprechende Erbanlage] nämlich faktisch dezimiert worden.


Dadurch, dass ich mich nie mit meiner Linkshändigkeit beschäftigt habe kenne ich solche Theorien auch nicht. Klingt aber sehr spannend. Ich werde echt mal anfangen dazu ein paar Sachen zu lesen.


Simon

Simon
01.09.2002, 01:57
>Hallo Simon,

>ich bin auch für ein vernünftiges Maß an Anpassungsfähigkeit, aber noch mehr für Toleranz und gegenseitige Achtung.

>Und in diesem Zusammenhang frage ich Dich: Warum ist es eigentlich immer der LH der sich anpassen MUSS?


Weil die Mehrheit der Menschen nun einmal RH ist.



>Warum soll ein LH Dinge tun die seiner Natur wiedersprechen ?


Wie im Beitrag weiter unten schon angedeutet, können wir in einer RH-dominanten Welt nichts anderes tun als uns anzupassen. Ich finde es reichlich verwegen, die Mehrheit dazu zu bewegen LH-Produkte zu benutzen.

Und: ich habe mit der Zeit sehr gut gelernt damit umzugehen, habe Alternativstrategien entwickelt (wahrscheinlich größtenteils unterbewußt).


>Denn so leid es mir tut, dies immer wieder feststellen zu müssen, es werden auch heute noch Kinder umgeschult und auch heute noch kursieren die wildesten und ungeheuerlichsten Gerüchte/Aberglauben über LH.


Da stimme ich Dir vollkommen zu. Umschulen ist absolut schädlich. Ich bin wirklich bisher davon ausgegangen, dass man das vor 100 Jahren gemacht hat und dachte mittlerweile sei es selbstverständlich, dass man Kinder die Benutzung der Hand wählen lässt. Anscheinend ist das ja (traurigerweise) nicht so.


Simon

Simon
01.09.2002, 02:06
>ich finde es erstmal super, das Du nicht umgeschult wurdest.



Das finde ich mittlerweile auch (-; Da darf ich mich bei meiner Mutter bedanken.


>Ich weiß nicht wie alt sie sind und welche Erfahrungen sie im laufe ihres Lebens gesammelt haben.


Ich bin 22 (noch vier Tage lang, ). Alles weitere findet sich in dem Beitrag weiter unten.


>Übrigens was heißt hier Minderheit nicht 10% sondern fast 50% sollen laut der Studien von Fr.

>Dr. Sattler die Welt befölkern.

>Kennen Sie die Fachliteratur von Fr. Dr. Sattler? Sehr empfehlens wert.


Ich hatte, wie schon gesagt, nie Probleme mit meiner Linkshändigkeit, deswegen bin ich auch nie auf die Idee gekommen mich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Ich habe mir aber vorgenommen mal ein paar Sachen zu dem Thema zu lesen. Da ich auch noch Kognitionswissenschaft studiere und mich speziell für die biologischen Grundlagen von Kognition interessiere werde ich mich sicherlich auch in diesem Bereich mit der Händigkeiit beschäftigen.

Danke für den Tipp, ich schaue mal, dass ich das Buch bekomme.


Simon

Tilman
01.09.2002, 09:26
>>Mir ist es bisher nie bewußt gewesen, dass Schrauben im Prinzip für RH gemacht sind. In irgendeine Richtung muß man sie ja reindrehen.<<

Nee, Schraubendrehen ist wohl nicht das Problem, obwohl ich natürlich nicht weiss, ob ich mich nicht doch häufiger vertan habe als nötig; sowieso, von der _Bewegung_ her ist da kein Unterschied: wir drehen eben von der Muskelbelastung her beim Schrauben-hineindrehen so 'rum wie RH beim Herausdrehen - so what.


>>ich benutze die RH-Tastenbelegung bei der Maus indem ich mit dem Mittelfinger links und dem Zeigefinger rechts klicke<<

Hehe, ich habe immer alle Tasten mit dem Zeigefinger bedient. Hab' aus Langeweile letzte Woche die Belegung auf Links umgelegt und habe nach drei etwas nervigen Tagen die ganze Sache bereits total vergessen, bzw. integriert. Zuerst scheint's da wohl eine Gewöhnungszeit zu geben...


>>Und auch was die Diskriminierung angeht: ich war in meiner Peer-Group (oder Clique, Posse oder wie auch immer das mittlerweile heißt) immer etwas Besonderes. Anscheinend hatte ich auch da Glück.<<


So ähnlich könnte ich das auch beschreiben, da ich wegen meiner Linkshändigkeit in mittlerweile 42 Jahren nie offen angefeindet wurde. Weil ich mich wie Simon bis vor kurzem nicht aktiv mit der Sache beschäftigt habe habe ich gewisse indirekte Bezüge früher grundsätzlich auf andere Dinge, die Blödheit der "Anderen" oder eigene Unzulänglichkeit geschoben.

Da gibt es z.B. eine interessante Episode, die ich gerade gestern in meinen Aufzeichnungen von einer Amerikafahrt 1976 mit einer Gruppe aus meiner Schule wiederfinde. Weil zwei Gastfamilien an einem der Haltepunkte befreundet waren waren ich und ein anerer Junge plötzlich gezwungen, bei allerlei Freizeitaktivitäten mit zwei Mädchen aus unserer Gruppe zu sozialisieren, mit denen wir sonst nicht so viel zu tun hatten. Ich hatte mich in meiner Erinnerung immer vage gefragt, warum ich gerade eins dieser Mädchen so negativ in Erinnerung habe, und hatte mir, ausser "unsympathisch" eigentlich keine Antwort geben können. Da lese ich jetzt in meinem Tagebuch vonb damals z.B.:"...bekomme ich [von diesen zwei] oft bissige Bemerkungen, sei es, weil ich mit dem Sicherheitsgurt nicht klarkomme, sei es, weil ich irgendwo irgendwie eine 'falsche' Figur gemacht habe..." oder nach einem Kinobesuch "...als ich die beiden Mädchen frage, wie sie es denn gefunden haben, bekomme ich zur Antwort, ganz gut, aber meiner Fragestellung sei zu entnehmen, das es uns nicht gefallen habe."

Was sich in diesen und anderen Beispielen subtil breitmacht ist

1) die typische Diskriminierung des lH als "linkisch"; die eben in der Verdecktheit als solche nicht wahrnehmbar ist: da ich an sich ziemlich stabil bin, hätte ich wahrscheinlich beispielsweise eine offene Anfeindung, weil ich links schreibe, besser ertragen als diese vage Kritik an meinem Verhalten.

2) die RH Spielerei mit Inhalten, Werten und unausgesprochenen Bezügen: mir wäre es nie in den Kopf gekommen, mit irgendwelchen Hintergedanken zu fragen, wie die den Film gefunden haben, und ich war angesichts dieser Unterstellung vollkommen baff...

Bagatellen aus dem Schulleben der 70er Jahre? Mitnichten. Das Leben eines jeden Linkshänders wird begleitet von lauter solchen Mini-Situationen, wo Unverständnis oder sogar Anfeindung diktieren. Nch meiner Erfahrung ist es dabei ausschlaggebend, das man gerade _nicht_ wegen seiner Linkshändigkeit angegriffen wird, sondern, 'weil man so ist wie man ist', wobei oft in der Kritik die Art und das Verhalten auch noch durcheinandergewürfelt wird.

Da kann ein Verständnis der Zusammenhänge schon helfen; also auch das _wir_ die Spielchen der Rechtshänder besser verstehen lernen - wobei ich nicht für eine Anpassung bin, aber ich will dem Krempel wenigstens gezielt aus dem Wege gehen können.

Tilman

Birgit
01.09.2002, 16:07
Hallo Simon,


klar hast du deine Beiträge aus meiner persönlichen Sicht geschrieben. Was anderes wollte ich auch nicht und ich tue das Gleiche.


Zu den Schrauben-Gewinden muß ich mich ein wenig ergänzen. Schrauben schraubt man ja meistens irgendwo rein und seltener wieder raus. Und Gewinde sind noch an anderen Orten installiert, aber das wissen Handwerker besser. Frag mal deinen Bruder. Ich erinnere nur mit Grauen die Zeit des Aufbaus von Möbeln eines vor allem bei Ersteinrichtern/innen sehr bekannten Einrichtungshauses.


Mir war, was meine Linkshändigeit angeht, auch vieles bis vor gut drei Jahren nicht bewusst. Aber dann gingen mir am laufenden Band die Augen auf . Wenn du schreibst: "Ich allerdings hatte immer die freie Wahl bei der Benutzung meiner Hände. Mittlerweile wird mir klar, dass das die Ausnahme zu sein scheint." Dann schreibe ich drauf: "Es ist immer gut, wenn man eine gute Ausnahme ist. Weiter so!"



> Ich bin der festen Überzeugung, dass ich durch mein LH-Dasein keinerlei Schäden davon getragen habe.<


Nein, wenn man als LH ein LH-Dasein führt, dann kann das ja nicht schädlich sein. Sondern es entspricht der Natur und ist höchst gesund.

Ja, man muß wirklich zwischen natürlichen und um-/rückgeschulten LH unterscheiden. Das sind drei sehr verschiedene Erlebniswelten. Dennoch vertragen wir uns alle überdurchschnittlich gut würde ich mittlerweile sagen.


Soviel dazu. Meine Antwort zur Studie ist noch mal etwas länger geworden. Willst du sie jetzt oder sollen wir es vertagen? Sie ist auf meiner PC-Festplatte jederzeit abrufbereit gespeichert.


Birgit

Birgit
01.09.2002, 16:31
Hallo Jürgen,


als ich heute früh dein Statement las, kam ich ins Grübeln.


> Vielleicht sollte man auch die Umschulung als eine nicht

>sichtbare Behinderung anerkennen.<



Wenn das wäre, dann könnten wir uns ein Eigentor schießen. In Zeiten der Konjunkturschwäche wird gerne aussortiert. Dann nimmt man als erstes mal denen ihre "normale Zugehörigkeit" die eine Behinderung haben oder zu einer Randgruppe oder Minderheit gehören. Ob wir das wollen? Ob uns das wirklich hilft? Ich weiß nicht so recht.


Besser ist doch allemal zusammenzuhalten und unsere nächste und nähere Umwelt Schritt für Schritt in Richtung LH-gerecht zu wandeln. Weil Tölpel oder Dummköpfe sind wir eben absolut nicht. Und unseren Grips können wir vorrangig dazu verwenden, daß es uns gut oder wenigstens wieder besser geht. Rücksichtnahme ist schon gut, so lange sie nicht auf eigene Kosten geht.

Birgit

Olli
01.09.2002, 23:50
Hallo Simon,

>>ich bin auch für ein vernünftiges Maß an Anpassungsfähigkeit, aber noch mehr für Toleranz und gegenseitige Achtung.

>>Und in diesem Zusammenhang frage ich Dich: Warum ist es eigentlich immer der LH der sich anpassen MUSS?

Weil die Mehrheit der Menschen nun einmal RH ist.


Bist du Dir hier sicher? Ich schon lange nicht mehr, denn man sollte nicht von dem ersten Anschein ausgehen, weil die meisten Leute rechts schreiben auch RH sind. Im übrigen gibt es zu diesem Thema keine aussagekräftigen Studien, sondern nur mehr oder minder starke Hochrechnungen/Schätzungen (wobei oftmals die umgeschulten LH garnicht mit eingerechnet werden).

Langsam verfestigt sich ein Bild von wenigstens 25% bis 30% (man spricht sogar von bis zu 50%, was ich selbst allerdings als zu hoch gegriffen finde) der Bevölkerung dürften LH sein. Das ist immerhin mehr als ein viertel! Also ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil (viele Parteien würden froh sein einen solchen Anteil bei den Bundestagswahlen zu bekommen ).


>>Warum soll ein LH Dinge tun die seiner Natur wiedersprechen ?


Wie im Beitrag weiter unten schon angedeutet, können wir in einer RH-dominanten Welt nichts anderes tun als uns anzupassen. Ich finde es reichlich verwegen, die Mehrheit dazu zu bewegen LH-Produkte zu benutzen.

>Und: ich habe mit der Zeit sehr gut gelernt damit umzugehen, habe Alternativstrategien entwickelt (wahrscheinlich größtenteils unterbewußt).


Ja, hast Du dich denn auch schon einm,al gefragt, warum diese Welt so RH-dominant ist? Weil der LH sich immer anpassen mußte und nie seine Intressen gewahrt wurden. Nein, zudem kam noch eine massive Verfolgung, Mißachtung, Bekämpfung. Und dies - so scheint mir - liegt irgendwie in der Natur der RH, jeden so zurechtbiegen zu wollen der nich seiner Norm entspricht und nicht so geradlinig und vorhersehbar (für den RH) denkt und handelt wie er.


>>Denn so leid es mir tut, dies immer wieder feststellen zu müssen, es werden auch heute noch Kinder umgeschult und auch heute noch kursieren die wildesten und ungeheuerlichsten Gerüchte/Aberglauben über LH.


Da stimme ich Dir vollkommen zu. Umschulen ist absolut schädlich. Ich bin wirklich bisher davon ausgegangen, dass man das vor 100 Jahren gemacht hat und dachte mittlerweile sei es selbstverständlich, dass man Kinder die Benutzung der Hand wählen lässt. Anscheinend ist das ja (traurigerweise) nicht so.


Nein, wirklich nicht, auch wenn es in den Schulen nur noch selten geschieht, so hat sich doch in vielen Köpfen von Eltern, Großeltern und Erziehern ( und viele davon sind sogar selbst umgeschulte LH) die vorgefertigten Meinungen (Linkshändigkeit und linkshändiges Schreiben bringt Nachteile und muß daher "umgepolt" werden), aber auch altes Mißtrauen und der Aberglaube über die Linkshändigkeit halten.


Olli

Anja
02.09.2002, 11:41
Hallo Simon,

ich habe noch nicht die Beiträge der anderen gelesen, so dass sich vielleicht meine Antwort mit denen anderer ähnelt oder gleiche Antwort ist.

Aber, was ich loswerden möchte ist, dass die Linkshänder sich soooooo viele Jahre nur anzupassen hatten, was bie heute auch noch so ist und wahrscheinlich so bleiben wird. Problem dabei ist einfach, dass es nichts mit nur äußerlicher Sturrheit zu tun hat, sondern ganz einfach damit, dass wir in aller Anpassung schließlich unser Gehirn (!) umpolen müssen, um uns da anzupassen. Ich bin umgeschulte Linkhänderin und weiß, was Folgen der Umschulung und Anpassung sind. Ich erlebe sie selbst. Das sind mitunter keine Kinkerlitzchen, sondern kann auch bis ins Existenzielle gehen, wenn es auch den Job und Beziehungen kostet. Das zu deinem Beitrag: >Was ich sagen will. Nutzen wir doch die allein dem Menschen zu Teil gewordene Fähigkeit so unglaublich flexibel zu sein und passen uns ein bisschen an. )-;

Ich denke, ehe überhaupt mal eine """"Gefahr"""" eines Linkshänderstaates wird, müßte es schon X- und mehr Jahre lang eine Akzeptanz der Linkshändigkeit geben. Und das ist bis heute nicht passiert. Und Anpassen klar - muß man ja dauernd und in vielen Lebenslagen. Aber warum nicht auch endlich mal in dieser individualisierten Gesellschaft bisschen Akzeptanz des Individuums - also Scheinindividualisierung zu gunsten der Pluralisierung. Muß Konformität so sein?

Ich denke, eher passt ein Kamel durch ein Nadelöhr, ehe die Leute, die noch zur Minderheit gehören, einen Linkshänderstaat aufmachen. Nur gleiceh rechte für alle, oder nicht?!

>Einige Beiträge hier, lassen das Bestreben der Errichtung eines Linkshänderstaates vermuten. In einer Gesellschaft mit verschiedensten Menschen ist zumindest ein bisschen Anpassungsfähigkeit nötig. Wenn jede Minderheit auf IHR Recht pocht ist ein vernünftiges Zusammen leben unmöglich. )-;

Aber es gilt Meinungsfreiheit und Recht auf körperliche Unversehrtheit und so weiter, zumindest laut Grundgesetz. Körperliche Unversehrtheit heißt auch - so verstehe ich - Recht auf die Linkshändigkeit, die bleiben soll und nicht Kitsch ist, weil - wie schon gesagt - es schließlich was mit dem Gehirn zu tun hat. Und wenn durch solche Zwangsumschulungen die Linkshänder auf einen Teil im Leben verzichten müssen, der ihnen durch Folgen der Umschulung quasi gestohlen wird, so kann auch ich es nicht gut heißen...


Gruß, Anja