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Vollständige Version anzeigen : Klavier spielen?


Anke Thalheim
27.09.2005, 13:40
Gern hätte ich von paar Erfahrungen anderer profitiert. Ich habe einen linkshändigen 9-jährigen Sohn, der seit dem Kindergarten mit dem Klavierspiel liebäugelt. Allerdings war seine Schreibhand zu Schulbeginn nicht feststehend, meist malte und schrieb er rechts. Deshalb haben wir ihn extra testen lassen und bis auf einer motorischen Störung in der linken Hand ist er eindeutig Linkshänder. In der zweiten Klasse ging er zum Klavierunterricht, aber er würde lieber selbst draufrumklimpern, als die Noten zu spielen. Nach einem Jahr wechselte der Musiklehrer und der neue hat ihm vorm Sommer gesagt, dass es sich nicht lohnt, weil er nicht übt zu Hause. Jetzt hat mein Sohn die alte Klavierlehrerin wieder gefunden und möchte wieder Klavier lernen. Seit Juni schreibt Robert vorwiegend links nachdem ich ihm gesagt hatte, dass er die Hand nur für sich wählt und nicht für andere, und was ich selbst als umgeschultes Kind für Probleme gegenüber meiner rechtshändigen Schwester hatte. Er hat jetzt einen Stabilo-Füller, damit er links und rechts nicht verwechselt. Ich möchte gern wissen, ob er vom rechtshändigen Klavierspielen überfordert wird, ob es Linkshänder-Stücke gibt oder ob es sinnvoll ist ein elektronisches Klavier zum umschalten zu kaufen. Allerdings kann man diese ja nur zu Hause spielen?!

Konny
27.09.2005, 14:46
Aufgrund des Niveaus wird es wohl wenig hilfreich sein, aber aus dem Stehgreif fällt mir da nur die Symphonie für die linke Hand von Ravel ein. Ansonsten gehört das Klavier wohl zu den Instrumenten, die man auch als Linkshänder eigentlich gut spielen können müsste, auch wenn die linke Hand auf dem Klavier meist die rhythmischen, anspruchsloseren Aufgaben übernimmt.

Schlimmer ist da schon die Gitarre, da sollte man sich schon ein Linkshändermodell anschaffen. Ich selbst spiele Saxophon (und bei den Soli kann man das schön hören anhand der Tonpräferenz ;) )

Tilman
27.09.2005, 15:27
...."Ich möchte gern wissen, ob er vom rechtshändigen Klavierspielen überfordert wird, ob es Linkshänder-Stücke gibt oder ob es sinnvoll ist ein elektronisches Klavier zum umschalten zu kaufen. Allerdings kann man diese ja nur zu Hause spielen?!"


Ob er vom linkshändigen Klavierspielen überfordert ist, ist einerseits individuell, andererseits hängt es sehr vom Unterricht ab (den Hinweis auf Linke-Handstücke aus dem Konzertrepertoire können wir in diesem Zusammenhang übrigens erstmal getrost vergessen). Da ein Großteil des Unterrichtsmaterials für Anfänger zu genau diesem Zweck erst hergestellt bzw. zusammengesucht wird, sollte man in jedem Fall darauf achten, daß ein Klavierlehrer durch die Wahl passenden Materials die linke Hand gut nutzt.

Das Problem musikalischer LH Klavierspieler liegt größtenteils darin, daß sie stark auf Melodien reagieren, und daher oft unbedacht die rechte Hand überfordern, und vor lauter Ausdruckswillen verkrampfen. Daher gibt es ein paar Pianisten, die gespiegelte Keyboards und dergleichen vorschlagen. Das mag in gewissen Fällen wohl die bessere Lösung sein. Meine persönliche Ansicht ist, daß man auch auf herkömmlichen Tastaturen gut zurecht kommt, wenn man die Arbeitsweise anpasst, und sich der Fallgruben bewußt ist (im Grunde gilt das aber ja für alle Lernprozesse, daß man das Material und die Methodik dem individuellen Lernenden anpassen muß - in an ideal world...).


Ich beobachte nach Deiner Beschreibung eine ganz andere Sache, daß nämlich dein Sohn offenbar auditiv angelegt ist, also spielen und hören will, aber nicht Notenlesen. Das läßt sich in einem geeigneten Unterricht unterstützen. Man sollte einen Lehrer finden der dementsprechende Methoden anwendet, weil sich nur in dem Fall die Motivation einstellt, wenn man das Kind den eigenen Anlagen entsprechend fördert. Manche Forscher meinen, daß zwischen Linkshändigkeit und auditiver Anlage eine Verbindung besteht.




Letzteres ist übrigens der Knackpunkt in meiner eigenen frühen Ausbildung gewesen: ich habe eine solche anlagengemäße Unterstützung nicht bekommen, und bin daher mit vielen Lernprozessen viel zu spät fertig gewesen.

Na denn

Tilman Skowroneck

(cembalist und fortepianist)

Lutz
27.09.2005, 20:43
>...."Ich möchte gern wissen, ob er vom rechtshändigen Klavierspielen überfordert wird, ob es Linkshänder-Stücke gibt oder ob es sinnvoll ist ein elektronisches Klavier zum umschalten zu kaufen. Allerdings kann man diese ja nur zu Hause spielen?!"

Ob er vom linkshändigen Klavierspielen überfordert ist, ist einerseits individuell, andererseits hängt es sehr vom Unterricht ab (den Hinweis auf Linke-Handstücke aus dem Konzertrepertoire können wir in diesem Zusammenhang übrigens erstmal getrost vergessen). Da ein Großteil des Unterrichtsmaterials für Anfänger zu genau diesem Zweck erst hergestellt bzw. zusammengesucht wird, sollte man in jedem Fall darauf achten, daß ein Klavierlehrer durch die Wahl passenden Materials die linke Hand gut nutzt.

Das Problem musikalischer LH Klavierspieler liegt größtenteils darin, daß sie stark auf Melodien reagieren, und daher oft unbedacht die rechte Hand überfordern, und vor lauter Ausdruckswillen verkrampfen. Daher gibt es ein paar Pianisten, die gespiegelte Keyboards und dergleichen vorschlagen. Das mag in gewissen Fällen wohl die bessere Lösung sein. Meine persönliche Ansicht ist, daß man auch auf herkömmlichen Tastaturen gut zurecht kommt, wenn man die Arbeitsweise anpasst, und sich der Fallgruben bewußt ist (im Grunde gilt das aber ja für alle Lernprozesse, daß man das Material und die Methodik dem individuellen Lernenden anpassen muß - in an ideal world...).

Ich beobachte nach Deiner Beschreibung eine ganz andere Sache, daß nämlich dein Sohn offenbar auditiv angelegt ist, also spielen und hören will, aber nicht Notenlesen. Das läßt sich in einem geeigneten Unterricht unterstützen. Man sollte einen Lehrer finden der dementsprechende Methoden anwendet, weil sich nur in dem Fall die Motivation einstellt, wenn man das Kind den eigenen Anlagen entsprechend fördert. Manche Forscher meinen, daß zwischen Linkshändigkeit und auditiver Anlage eine Verbindung besteht.



Letzteres ist übrigens der Knackpunkt in meiner eigenen frühen Ausbildung gewesen: ich habe eine solche anlagengemäße Unterstützung nicht bekommen, und bin daher mit vielen Lernprozessen viel zu spät fertig gewesen.

Na denn

Tilman Skowroneck

(cembalist und fortepianist)


Fazit,

der LH muss mal wieder erhebliche Kompromisse, Umstände, mehr Bemühungen und den möglichen Verlusst des Interesses (seines und das des Lehrers) und des eigenen Vergnügens in Kauf nehmen und ebenfalls von der Wahrscheinlichkeit ausgehen, daß er auf einem RH-Klavier nicht linkshändergerecht gefördert und unterrichtet wird. Na toll!!!

Wie hören sich denn linkshändergerechte Stücke an? Hört man da überhaupt noch Melodien, oder nur noch Bässe? Und sowas soll Spass machen? Ist es nicht tatsächlich viel sinnvoller, als LH auf einem Klavier zu spielen, dessen Tastatur gespiegelt ist? Also ich glaube schon! Habe auch an anderer Stelle etwas über musikalische Legasthenie gelesen, die offensichtlich genau mit dieser Tastaturspiegelung zu tun gehabt hat. Nur dann sind spezielle Klavierlehrer dafür bestimmt auch rar. Wie sieht es denn diesbezüglich bei Gitarren und Geigenuntericht aus? Habe gelesen, es gibt immer mehr LH die auf einer Linkshändergitarre / Linkshändergeige spielen. Überhaupt, wenn LH besonders auf Melodien ansprechen und besonders auditiv veranlagt sein sollen, dann müsste ihr optimales Musikinstrument doch wohl nicht ein klassisches Begleitinstrument, sondern viel eher Soloinstrumente sein, die ihren Schwerpunkt auf der Melodieführung haben! Oder?


Lutz

Joke deVries
30.09.2005, 09:26
Alles schön und gut, aber es ist doch auch so, dass man sich quasi die LH-Violine und die LH-Gitarre unter den Arm klemmen kann. Bin noch nirgendwo hingekommen, wo ein Klavier für LH auf mich gewartet hat ...


Ich selbst spiele alle drei Instrumente und jeweils rechtshändig. Alle auditiv und auch autodidaktisch erlernt.

Meine ledige Erfahrung ist, dass ich bei Gitarre und Violine zwar auch problemlos vom Blatt spielen kann, es dagegen beim Klavier nicht so unkompliziert klappt. Ich führe es immer auf die verschiedenen Bewegungsmuster der Finger zurück. Aber ich bin kein Profi und kenn mich damit nicht aus. Bei den Saiteninstrumenten sind die Hände beim Greifen und beim Führen des Bogens, bzw. beim Zupfen und Schlagen jeweils unterschiedlich gefordert.

Beim Klavierspielen führen sie jeweils immer eine annähernd liniere Bewegung aus. Dazu kommt noch das Lesen von mehreren Notenzeilen und die Verteilung dessen auf die jeweilige Hand. Fakt ist, beim Klavierspielen fahre ich wesentlich besser mit Improvisation über Akkorden.

Dennoch ist es wichtig die Koordination und die Unabhängigkeit der Hände zu fördern. Dafür gibt es kleine nette fiese Fingerübungen, die aber Spaß machen. Klavierlehrer müssten so was haben. Wenn nicht, kann ich mit einer Mail an mich ([email protected]) sicher aushelfen. Allerdings sind meine Vorlagen nicht für Klavier-Neulinge, sondern haben mehr einen eher leicht fortgeschrittenen Charakter ...


Joke deVries