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Vollständige Version anzeigen : Schauspiel/Tanztraining


Lilo
20.08.2006, 01:21
An interessierte Linkshänder und (leidgeprüfte) ULHs die Frage, ob jemand Erfahrung mit professioneller Schauspielausbildung, Tanztraining, Bewegungstraining oder Körper-Stimm-Training hat? Wird vor allem rechts rum trainiert, hat man sich als "Linker" anzupassen? Hat sich bei den geschätzten Dozenten und Professoren inzwischen rumgesprochen, dass es auch Linkshänder gibt?

Ich bin selbst ULH und habe zur Wendezeit an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Schauspiel studiert ... Abgesehen davon, dass ich, obwohl ich sagte, dass ich Linkshänderin bin, mit rechts fechten lernen "durfte", habe ich an der Schauspielmethodik (Schauspiel - nicht Bewegung!) und am psychologisch/pädagogischen Know-how einiger damaliger (und noch heutiger) ProfessorInnen dieser hochgelobten Eliteschule erhebliche Zweifel. Würde mich freuen zu hören, dass sich was geändert hat. Künstler sollen sensibel, anspruchsvoll und kritisch sein (auch noch nach dem Studium ...) und nicht zu blind reproduzierenden Alians abgerichtet werden. Der Rest ist Schweigen ...

Lilo

Chrissi
20.08.2006, 11:52
Ja da hat sich wohl nichts geändert. Die umgeschulten Linkshänder am Theater wissen es häufig garnicht von sich selbst und fragen immer als erste rechts oder links? Die echten Linkshänder wissen sich natürlich zu helfen und können sich durchsetzen. Manche Regisseure fangen intuitiv mit links an um Schritte einzustudieren aber die Masse tut sich leider schwer damit.Ich selbst bin immer froh wenn ich mit links eine Möglichkeit sehe.Die Schnellen sind immer besser dran und bekommen die Rosinen aus dem Kuchen.

Bevor ich mich so intensiv mit meinem Umgeschultsein befasste habe ich rechts immer alles schnell gelassen weil ich da eine eingebaute Bremse hatte.Meine Endzeit am Musik-Theater hat begonnen und damit auch das Ende vom Frust, der mich immer wieder einholt bei rechts links rechts links usw.

http://www.nsvi.de/dt/

http://www.neilsemer.de/

Herr Semer arbeitet ganzheitlich mit der Stimme und es spricht mich sehr an.

Chrissi

Isa
21.08.2006, 11:08
Hallo Lilo


Vor ein paar Jahren war ich auch für kurze Zeit an der Ernst Busch Schauspielschule. Da wusste ich noch nicht, daß ich ULH bin, aber schon damals stieß es mir unangenehm auf, daß ich bei der Sprecherziehung/Körper-Stimm-Training beispielsweise zur Unterstützung beide Arme abwechselnd zu trainieren hatte (z.B. Sandsäckchenwerfen während der Sprechübungen) - dieser ständige Wechsel hat mich vollkommen schwindelig werden lassen und beinahe mehr Konzentration gekostet, als die Sprechübungen selber.

Auch beim Tanzen war ich immer der "Depp", weil ich Schwierigkeiten hatte, Links und Rechts zu unterscheiden... ich versuchte es, wie immer, durch größtmöglichen Einsatz wett zu machen. Nicht lange, und ich erlitt einen plötzlichen und sehr heftigen Nervenzusammenbruch durch die Summe all meiner Scheitererfahrungen, nicht nur an der Busch-Schule. Wiedermal musste ich todunglücklich aus Vernunftgründen erneut eine Ausbildung abbrechen. Doch dann erkannte ich endlich die hauptsächliche Ursache meine Probleme in meiner radikalen Umerziehung zur RH. Seidem habe ich mich so gut wie vollständig zurück geschult und meine jetzigen Erfahrungen bestätigen immer wieder aufs Neue, daß die Grundursache meiner großen Probleme und Schwierigkeiten tatsächlich in meiner Umschulung lagen. Nun spiele ich schon öffter mit dem Gedanken, meine alten Lehrer aufzusuchen und ihnen dieses mitzuteilen, um ihren jetzigen SchülerInnen eine besseren "Start" zu ermöglichen (ich erinnere einige von Studenten, die plötzlich durchdrehten, mit erstaunlichen Parallelen zu mir und meinem Lebenslauf), habe aber Hemmungen, befürchte, dass sie da nicht aufgeschossen gegenüber wären und mich, wie ich es als eine Schutzhaltung oft empfinde und erlebe, sogleich als lehrerhaft und dogmatisch abstempeln. Sicher ist: zufällige Gelegenheiten und günstige Situationen packe ich schon jetzt beim Schopfe. Die Leute müssen von dem Thema wenigstens alle schon mal was gehört haben!


@ Andrea

Wenn man genug dickes Fell für harte Angriffe und Reaktionen hat, ja dann sollte man tatsächlich öffter solche Briefe schreiben, wie du. Ich bin mir sicher, dass jeder einzelne zumindest ein ganz klein wenig Nachdenken, oder Innehalten bewirkt. Warum sollte nicht gerade dein Brief die Produktionsidee zum LH-Tag bewirkt haben? (-:


Grüsse, Isa

Lilo
21.08.2006, 23:10
Hallo Isa,

Was du schreibst, bewegt mich sehr. Bist du Schauspielerin oder hast du dir einen anderen Beruf gesucht? Bist du komplett rückgeschult? Hattest du danach Probleme beim Text lernen und reproduzieren? Falls du auf der Bühne standst oder stehst, bist du immer klar bei dir oder stehst du auch mal neben dir? Wie gehst du mit blackouts um?


Ich wußte lange nicht, dass die Umschulung überhaupt Probleme mit sich bringen kann, bin erst durch Frau Sattlers Buch draufgekommen. Da ist schon verblüffend viel dran. Erwäge eine komplette Rückschulung, fürchte aber, dass ich dann Gedächtnisprobleme bekommen könnte - in einem Bühnenberuf wäre das absolut unprofessionell und unproduktiv. Drauf ankommen lassen möchte ich es auch nicht, habe bis jetzt nämlich absolut keine Probleme mit dem Text, habe schon Kollegen gerettet (zur Premiere, ohne Soufleusse!), das grenzte allerdings an Horror.


Ich denke, in der Schauspiel-Ausbildung lassen sie's drauf ankommen, wer es nicht durchsteht, hat in dieser knüppelharten Branche eben nichts zu suchen ... ich billige das absolut nicht, weil gerade die besonderen Begabungen dabei drauf gehen, der Durchschnitt rutscht so mit durch, und davon haben wir schon genug ...

Ich denke schon, dass es für jetzige und kommende Studenten wichtig wäre, wenn die Dozenten mal erfahren würden, dass es ULH gibt und mit welchen Problemen die evtl. kämpfen. Den Dozenten wird's im Grunde egal sein ... Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber vielleicht hilft's dem einen oder anderen jungen Menschen auf dem Weg zu sich selbst? Das wäre den Versuch auf jeden Fall wert.

toi toi toi für alle activities

Lilo

Detlef
22.08.2006, 12:03
Hallo Lilo,


hast Du die Möge, mal einige Dozenten darauf hinzuweisen? Das würde mich freuen! :-)


Liebe Grüße von Detlef

Lilo
22.08.2006, 21:21
Hallo Chrissi,

vielen Dank für den Tipp mit Herrn Semer. Leider nichts für mich als Schauspielerin, aber vielleicht guckt mal jemand von den Musikalischen hier rein ...

alles Gute für die Arbeit (und privat natürlich ...)

Lilo
22.08.2006, 21:39
Hi Detlef,

ich habe mit Dozenten nicht mehr viel zu tun, aber wenn ich einen treffe, werde ich ihm die linke Meinung geigen!

PS, es gibt auch ganz tolle RegisseurInnen, die ihre Erfahrung und Können an Studenten weitergeben. Die machen mal eine Gastprofessor, oder lehren und inszenieren eine Zeitlang gleichzeitig. Wer aus der Praxis kommt und künstlerisch arbeitet, nicht nur als Kunst-Beamter, ist meist offen für menschliche Probleme aller Art.

liebe Grüße

Lilo

Isa
22.08.2006, 21:55
Hallo Lilo


> Was du schreibst, bewegt mich sehr. Bist du Schauspielerin oder hast du dir einen anderen Beruf gesucht?


Schauspielerin bin ich nicht geworden. Und obwohl ich die Ausbildung mit meinem vollem Einsatz, incl. ständiger Restreserven bis zum Umfallen angegangen bin, war die Schauspielerei von Anfang an nicht meine eigentliche Priorität und auch nicht meine einzige attestierte besondere Begabung. Natürlich wollte ich beruflich zu Rande kommen und dabei meine Fähigkeiten und Interessen mit einbringen und ausbauen können; zur Schauspielerei brachte mich allerdings mein tiefster Wunsch, meine Blockaden, vor allem Legasthenie, Wortfindungsstörungen, Unsicherheiten im Auftreten... und Blackouts aufzulösen, sprich, ich wollte sie durch direkte Konfrontation und eiserne Disziplin bezwingen. Der falsche Ansatz, ich weiß - aber ULH-typisch!

Mit der Rückschulung regelte und regelt (ganz selten habe ich doch mal kurz wieder Wortfindungs- und Formulierungsstörungen - dann war ich vorher aber rückfällig, sprich, habe aus selbsttrügerischer Bequemlichkeit mal wieder was „schneller und besser“ mit Rechts gemacht, genau genommen aber nur so machen wollen) sich all dies bei mir ganz nebenbei! Sodass ich jetzt dabei bin, mir das im Selbststudium aufzubauen, was schon immer mein innerster sehnlicher Drang war. Unverkrampft, mit viel Spaß übrigens erstmals, mit Links im doppeltem Sinne, und die ersten Ergebnisse sehen auch wirklich erfolgsversprechend aus. (-:



> Bist du komplett rückgeschult? Hattest du danach Probleme beim Text lernen und reproduzieren? Falls du auf der Bühne standst oder stehst, bist du immer klar bei dir oder stehst du auch mal neben dir?


s. o. Bis auf kleinste Kleinigkeiten bin ich komplett rückgeschult, muß mich aber immer wieder vor Rückfällen schützen die sich mir dann immer aufdrängen, wenn ich ausschließlich mit RH-Werkzeugen oder RH-optimierte Arbeitsplätze konfrontiert werde. Aus Versehen mache ich schon seit Jahren nichts mit Rechts.


> Wie gehst du mit blackouts um?


Entspannt. Ich bin mir dafür nicht mehr so unendlich böse. Sie sind längst nicht mehr so massiv und überhaupt nur noch ganz selten.


> Ich wußte lange nicht, dass die Umschulung überhaupt Probleme mit sich bringen kann, bin erst durch Frau Sattlers Buch draufgekommen. Da ist schon verblüffend viel dran.


Allerdings, erschütternd!


> Erwäge eine komplette Rückschulung, fürchte aber, dass ich dann Gedächtnisprobleme bekommen könnte - in einem Bühnenberuf wäre das absolut unprofessionell und unproduktiv. Drauf ankommen lassen möchte ich es auch nicht, habe bis jetzt nämlich absolut keine Probleme mit dem Text, habe schon Kollegen gerettet (zur Premiere, ohne Soufleusse!), das grenzte allerdings an Horror.


Die Garantie, das dieses nicht vorkommt, kann dir nun wirklich keiner geben. Aber warum sollten bei dir gerade da Schwierigkeiten auftauchen? Nur weil es deine größte Sorge ist? Meine Erfahrung: Insbesondere die in der Rückschulung auftauchende Probleme die direkt der Gehirnleistung zuzuordnen sind (auch Schwindelgefühle), sind entweder Warnsignale, das Tempo etwas heraus zu nehmen, ein Hinweis, dass man sich irgendwie verkrampft, nicht konsequent beim Rückgeschulten geblieben ist - und wenn man darauf achtet, nur Zwischen-, oder Übergangserscheinungen. Das Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten wächst mit der Rückschulung, man wird sich seiner Selbst bewusst. Das schließt auch die eigenen möglichen Grenzen ein, die man vorher nicht wahrhaben wollte, weil man evtl. glaubte mit Überkompensation alles hinbekommen zu können. Psychisch und körperlich gab es bei mir viel Verdrängtes aufzuarbeiten, dabei ist das Körperliche langwieriger - offenbar konnte meine Psyche deutlich mehr verkraften, als mein Körper die jahrelange Missachtung und Raubbau.


> Ich denke, in der Schauspiel-Ausbildung lassen sie's drauf ankommen, wer es nicht durchsteht, hat in dieser knüppelharten Branche eben nichts zu suchen ...


Ja, genau so ist das, wie in den meisten (vor allem künstlerischen?) Branchen. Argument: Das ist ein hartes Pflaster, und wer sich nicht gleich zu Beginn durchbeissen konnte sollte es lieber sogleich bleiben lassen.


> ich billige das absolut nicht, weil gerade die besonderen Begabungen dabei drauf gehen, der Durchschnitt rutscht so mit durch, und davon haben wir schon genug ...

Ja, wer da nicht mithalten kann, ist eben nicht belastbar und wird fallen gelassen. Nach Ursachen wird kaum geforscht. Schon mit psychosomatischen Beschwerden hat man irgendwie alleine klar zu kommen und fühlt sich obendrein noch nicht ernst genommen... Es gäbe so vieles was sich durch Kleinigkeiten einfach beheben ließe und sich somit positiv auf unsere Gesellschaft auswirken würde. Nimmt man die Umschulungsproblematik - was geht dabei für ein Fass auf...


> Ich denke schon, dass es für jetzige und kommende Studenten wichtig wäre, wenn die Dozenten mal erfahren würden, dass es ULH gibt und mit welchen Problemen die evtl. kämpfen. Den Dozenten wird's im Grunde egal sein ...


Das fürchte ich auch. Bis auf ein paar ganz wenige, aber das wäre schon mal der Beginn. Allerdings müssten die wohl quasi eine Zusatzausbildung haben, denn durch die Förderung der eigentlichen Dominanz kann einiges losgetreten werden, das muss richtig eingeordnet werden, damit muss man dann auch umgehen können. Der Student oder Schüler muss auch mitarbeiten wollen. Außerdem gibt es auch wirklich einige, die umschulungsbedingt einen „an der Klatsche haben“ und dies als Macke und Markenzeichen pflegen und frönen. Ich vermute beispielsweise in Klaus Kinski einen ULH - wie wäre er wohl gewesen, hätte er seine LH leben und entfalten können? - genauso empfindlich und abgedreht?


> Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber vielleicht hilft's dem einen oder anderen jungen Menschen auf dem Weg zu sich selbst? Das wäre den Versuch auf jeden Fall wert.


Für mich ist sicher: gäbe es Umschulung nicht, unsere Welt hätte ein anderes Gesicht. Harmonischer wahrscheinlich und für viele, die das Extreme lieben langweiliger?

Was da für Potenziale freiwerden würden!


> toi toi toi für alle activities


Das wünsche ich dir auch (- :

Isa